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Frauenkörper zur „Stabilisierung“

09.03.2007 | 18:57 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Jede österreichische Kunstuniversität, die sich ernst nimmt, müsste dieses Semester die Yves-Klein-Retrospektive im Museum moderner Kunst verpflichtend in ihren Lehrplan aufnehmen.

Jeder Kunststudent, der sich ernst nimmt, sollte bis dahin schon mindestens einmal dort gewesen sein. Um zu sehen, wie hoch die Latte in der Kunst liegt. Um zu sehen, welchen Einfluss Klein auf Österreichs Kunst gehabt hat, explizit auf Rudolf Schwarzkogler. Um zu sehen, dass Arnulf Rainer parallel zu Kleins mythologischer Monochromie ähnliche Vorstellungen entwickelt hatte.

Und auch, um ernsthaft darüber zu diskutieren, ob sich Kritikerinnen tatsächlich „prüde“ schimpfen lassen müssen, nur weil sie finden, dass es sexistisch ist, wenn Männer in Smokings auf nackte, sich in Farbe suhlende Frauenkörper gaffen.

Dieser (späte) Teil in Yves Kleins sonst so geschätztem Werk wirkt umso irritierender, wenn man erfährt, dass sich der Maler schon vor dieser aktionistischen Phase, den „Anthropometrien“, schon seit Beginn seiner monochromblauen Malerei im Atelier immer mit nackten Frauen umgeben hat. Weil er den Anblick weiblicher Formen eben mochte. Und als „Stabilisierungskraft“, wohl um nicht endgültig ins Immaterielle abzuheben, ins Nichts, wie auf seinem berühmten Foto.


Die Vorstellung von sich nackt um den begnadeten Dandy-Schöpfer räkelnden Frauen wird auch nicht viel erträglicher, wenn die Modelle von der ach so „gemütlichen“ Atmosphäre schwärmen, die noch dazu völlig unerotisch gewesen sein soll.

Die Farb-Abdrucke auf Kleins Bildern sind bei genauem Hinsehen dann zwar nicht ausschließlich weibliche Körper. Aber fast. Schade ist, dass in der sonst exzellenten Ausstellung weder dieses Missverhältnis thematisiert wird noch der Umstand, dass im Erdgeschoß zwischen Dutzenden anonymen weiblichen Abdrücken sich nur ein einziger Körper aus der Fläche wölben darf, in voller Adamspracht, inklusive Namen: Der Abguss, den Klein von seinem Künstler-Freund Arman genommen hat. Ausgeführt in repräsentativer Bronze.


almuth.spiegler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2007)


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