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29.01.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
Künstlerhaus: Hier fehlt noch ein Slogan
VON THOMAS KRAMAR
Wie die Gruppe "Monochrom" den Kunstdiskurs rettet, den derzeit die Ausstellung "Update" im Künstlerhaus - unfreiwillig? - parodiert.

Ein schwarzes Ei, eine tachistische Tafel und einige Karikaturen à la "Barbapapa im Cyberspace": ein herziges Arrangement, das da in der Künstlerhaus-Ausstellung "Update" gezeigt wird. Auf dem dazugehörigen Zettel wird es beschrieben als "Labor, welches sich mit Wahrnehmung, Information, Kommunikation und einer Autopoietisierung dieser Prozesse beschäftigt". Und so weiter.

Nun weiß der misstrauische Besucher, dass auch "Monochrom", die, so das aktuelle Bekenntnis, "Wien-Bamberger Kunstneigungsgruppe mit diversen Volontariaten in zahlreichen Realitäten", bei dieser Ausstellung vertreten sind, und fragt sich: Haben sich diese neunmalklugen Teufel wieder einmal einen Practical joke gestattet?

Nein. Auch ihre Kopfgeburt, der umtriebige Georg Paul Thomann, ist nicht schuld. Die "Update"-Schau - in der sich auch Nettes findet wie die Roll-over-Duchamp-Idee, einen Baumarkt schlankerhand zur "Art Gallery" zu erklären - drückt sich wirklich so aus. Schon im Begleittext ist exzessiv von "kooperativen Prozessen", "horizontaler Strukturenbildung" usw. usf. die Rede.

Dass der Parodie-Verdacht gleich auf Monochrom fällt, ist ziemlich ungerecht. Denn diese verhöhnen den Kunstdiskurs nicht im Zorn, belächeln ihn nur, nicht einmal überheblich, sondern aus (enttäuschter) Liebe. Weil sie nämlich große Wörter und Worte ernst nehmen - grundsätzlich, das heißt, wie der Jurist weiß, nicht immer. Weil sie sich der Welt und ihren An- und Zumutungen nähern wie die Naturwissenschaftler, das heißt: wie die Kinder. Das heißt auch: experimentell. Bastelnd. In Versuchsanordnungen. In Form von Anfragen. An Ämter, Natur, Kultur und andere Autoritäten.

So kann man derzeit in der Kunsthalle Exnergasse, in der ersten Wiener Monochrom-Personale, neugierig Neugieriges nachlesen und -schauen: eine Petition, die Sting zwingen soll, für einen schlechten Zweck (z. B. Artensterben, Atomkraft, Verpackungswahnsinn u. ä.) aufzutreten. Eine Initiative zur Erreichung der "Totalbevölkerung": 40 Billionen Menschen, allesamt bekennende Heterotrophe. Der Versuch, Transparente mit Botschaften wie "Kraft [*] Weg" oder "Repariert, was euch kaputt macht". T-Shirts mit weisen Aufschriften wie "Der Dow Jones ist das Wichtigste von der Welt", "Nicht nicht kommunizieren gilt nicht" oder, ganz sehnsüchtig, "Sei ein Scientist!"

Subversion durch Affirmation? Das sowieso. Aber auch Liebe zum Detail, zur konsequenten Durchführung, die schon auch einmal den liebenswerten Charakter der Zwangshandlung haben darf: "Bildet To-do-Stapel!" heißt der Titel der Ausstellung, und man darf wetten, diese Künstler führen wirklich linierte, vielleicht auch karierte Notizbücher, die sie daran erinnern, welche Aspekte dieser fremden und seltsamen Welt es noch zu bearbeiten gilt.

Experimentell, das sagten wir schon: also im besten Sinn aktionistisch. Wenn Testpersonen ihr Blut spenden, um daraus Blutwurst fertigen zu lassen, diese auf mit Parolen übersäten Heurigentischen zu essen und all das, auch eventuelle Anwandlungen von Grausen, unter dem Titel "Eigenblunzen" zu dokumentieren, ist das natürlich auch eine Antwort auf die Frage, ob Aktionismus heute noch möglich ist ("ja, aber"/
"nein, aber"), aber vor allem ein geistreicher Spaß. So wie das "Amstetten Project", in dem dem beliebten Ort nicht nur eine ruhmreiche Geschichte, sondern auch ein Teilchenbeschleuniger zugesellt wird. Oder wie das "Projekt Mendel", bei dem Firmenlogos grafisch nach den Regeln der Vererbungslehre gekreuzt wurden, bis am Schluss "P & G" herauskommt, weil, so die Künstler, das so sein muss. 40 Billionen Konsumenten können nicht irren. Autopoietisiert die Autopoietisierer!

12 Jahre Monochrom: Bis 26. Februar, Di-Fr, 14-18 h, Sa 10-13 h; Kunsthalle Exnergasse, Wien 9, Währinger Straße 59.

Update: Künstlerhaus, Wien 1, Karlsplatz 5; bis 3. April, Di-So 10-18 h, Do 10-21 h.

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