Zwischen Altägypten und Tennessee | |
Im Wiener Looshaus und in der Kunsthalle Krems sind Entwürfe und Objekte der Designer-Kultgruppe der 80er Jahre zu sehen. |
Ein kalter Dezember 1980 in Mailand. Bob
Dylan besingt den "Memphis Blues" und serviert einer Gruppe von Designern
auf den Plattenteller den Namen für ihre Idee. Nur wenige Monate später
veranstalten sie ihre erste Ausstellung. Nicht im Entfernsten haben sie
daran gedacht, einen Erfolg zu landen, aber bei der Eröffnungsausstellung
war die Zufahrtsstraße verstopft, weil sich so viele Interessierte vor dem
Galerienraum gedrängt haben. Dem gutem Geschmack des Designs wird der
Kampf angesagt. Aus dem Dogma "Design follows function" wird der Slogan
"Design swallows function". Und aus "less is more" wird "less is a
bore". Doppelt gemoppelt Zwei Ausstellungen lassen derzeit eine der wichtigsten Designergruppen
der vergangenen Jahrzehnte wieder aufleben: Memphis, ein vom Italiener
Ettore Sottsass Anfang der 80er Jahre initiierter Zusammenschluss junger
Designer, steht seit Sonntag im Mittelpunkt einer Schau in der Kunsthalle
Krems und wird seit Dienstag auch im Rahmen einer von Kuratorin Lilli
Hollein zusammengetragenen Ausstellung in der Wiener "Designzone Looshaus"
gewürdigt.
Klingende Namen Hans Hollein, Arata Isozaki, Alessandro Mendini oder Matteo Thun -
viele der damaligen Gruppen-Mitglieder haben heute einen klingenden Namen.
Als Gruppe, die mit Traditionen brechen und dem Funktionalismus etwas
entgegen setzen wollte, präsentierte sich Memphis-Design erstmals im
Herbst 1981. Eine wahre Explosion der Farben und Formen, der
Materialkombinationen und der Anleihen bei Kunstgeschichte und Ethnologie
war die Folge. Auch wenn die Gruppe nur bis 1988 zusammenblieb, war ihr
Einfluss auf den Designnachwuchs wie auf den einfachen Möbelkäufer doch
beträchtlich. Einst und jetzt
Im Treffpunkt Kultur sprach Barbara Rett mit Ettore
Sottsass. Frage: Ettore Sottsass, haben Sie damals eine Revolution
geplant? Oder wollten Sie miteinander nur Spaß haben? Sottsass: Es war eine Notwendigkeit. Wir mussten etwas Neues
machen. Es war kein reiner Spaß. Etwas Neues zu machen bedeutet auch ein
Risiko. Wir mussten Antworten geben auf Herausforderungen des Designs -
des Industriedesigns und Gebrauchsdesigns. Frage: Die einen haben Ihre Objekte geliebt, die anderen haben
sie gehasst. Haben Sie gewusst, dass Sie so polarisieren werden? Sottsass: Ja, aber wir wussten freilich nicht, dass wir so
heftige Reaktionen ernten würden. Frage: Den Konflikt, den Sie da ausgelöst haben, ist der
Konflikt zwischen Bescheidenheit, zwischen Fülle und Minimalismus. Das ist
ja ein Konflikt, der sich durch die europäische Kunstgeschichte
durchzieht. Ich denke da an Barock und Biedermeier. Haben Sie ganz bewusst
aus diesem Fundus der Kunstgeschichte geschöpft? Sottsass: Ja. Schon als ich zur Schule ging hatte ich großes
Interesse für das Bauhaus, für den nordischen Rationalismus. Gleichzeitig
fühlte ich jedoch, dass diese Art zu denken nicht ausreichend war für
mich. Ich wollte mir die Welt vorstellen als etwas Wahrnehmbares; Gerüche
oder Farben kommen im Rationalismus zu kurz. Da ich Italiener bin, ein
Mann des Südens, wollte ich auch sündigen. Im Laufe meines Lebens in der
Politik, im Krieg habe ich gesehen, dass es nicht ganz falsch ist, das
Leben als Komödie zu sehen. Frage: Sie sind 1917 in Innsbruck geboren. Ihr Vater war
Architekt. Ihre Mutter stammt aus einer Innsbrucker Familie. Sie sind, so
glaube ich, ein Cousin des Malers Max Peitner. Ihr erstes deutsches Wort,
das sie vorm Weihnachtsbaum sagen konnten, war "schön". Was empfinden Sie
heute noch als schön? Sottsass: Woher wissen Sie das mit dem Wort "schön"? Frage: Ich habe mit Ihrer Mutter gesprochen! Sottsass: Meine Vorstellung von "schön" bezieht sich auf
Bewegung, auf eine Beziehung des Gleichgewichts, auf eine Balance. Die
Fragen nach dem Sinn des Leben, nach Leben und Tod. Wenn man mit diesen
Fragen glaubt, leben zu können, so wäre das ein Augenblick der
ästhetischen Ekstase. Als ich einmal als kleines Kind im Wald bei
Innsbruck plötzlich ein Licht sah, wünschte ich mir ein Schmetterling zu
sein. Das machte mich glücklich. Ich fühlte mich als Teil des Universums.
Ich bezeichne das als ästhetische Ekstase und ich glaube, dass man dies in
einigen seltenen Augenblicken erleben kann. Frage: Sie haben sich aus der Designbewegung etwas
zurückgezogen. Sie sind vornehmlich in der Architektur tätig. Sie sind
auch auf der Architektur-Biennale in Venedig vertreten. Wenn Sie einem
jungem Architekten einen Ratschlag geben könnten, was wäre das? Sottsass: Nun, ich gebe normalerweise keine Ratschläge. Die
Jungen müssen ihren Weg alleine finden. Ich kann aber sagen, was
Architektur sein könnte: Das Schaffen eines Ortes, der schützt. Der den
Menschen schützt gegen Kälte, Hitze und Regen, aber der auch schützt im
Rahmen der psychischen Dynamik des Lebens, oder der Komödie des Lebens.
Wir machen eine Mauer. Wenn draußen ein schöner Park ist machen wir ein
großes Fenster, wenn nicht, dann ein kleines. Einen Ort schaffen, wo man
Liebe machen kann. Die Architektur kann also von der Dynamik des Lebens
begleitet werden. Links:
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