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Kunstberichte
Die Frankfurter Kunsthalle Schirn wird Ende Februar 25 Jahre alt

Seismograph für die Brisanz der Moderne

Surreal: "Der 
wildgewordene Spießer Heartfield" 1920, von George Grosz und John 
Heartfield. Foto: epa/F. Rumpenhorst

Surreal: "Der wildgewordene Spießer Heartfield" 1920, von George Grosz und John Heartfield. Foto: epa/F. Rumpenhorst

Von Sandra Trauner

Aufzählung 5,5 Millionen Besucher bei rund 200 Ausstellungen.
Aufzählung Österreicher Max Hollein seit 2001 Direktor des Hauses.

Frankfurt/Main. (dpa) Sie versteht sich als Seismograph für brisante Entwicklungen in der Gesellschaft: Frankfurts Ausstellungshalle Schirn. Ende Februar wird sie 25 Jahre alt. Gefeiert wird schon jetzt – mit einer Schau über surreale Dinge. Ihren Namen hat die Kunsthalle Schirn ihrer Lage zu verdanken. Der weiße Neubau liegt inmitten eines historischen Quartiers, zwischen Römerberg und Dom. Im Mittelalter schritten die Kaiser während der Krönungszeremonie feierlich diesen Weg ab. Am Randes dieses Krönungsweges verkauften Händler ihre Waren an offenen Verkaufsständen, sogenannten Schirnen.

Heute gibt es dort nichts zu kaufen, aber viel zu sehen. Rund 200 Ausstellungen mit insgesamt 5,5 Millionen Besuchern hat die Kunsthalle in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten gestemmt. Den meisten Zulauf hatten die Überblicksschauen wie über Wiener Jugendstil oder Ausstellungen über weithin bekannte Maler wie den Expressionisten Wassily Kandinsky oder die Scherenschnitte von Henri Matisse. Spannender sind in der Regel Themen-Ausstellungen, in denen es wenig Bekanntes zu sehen, aber viel Neues zu entdecken gibt – "Shopping" über den Zusammenhang zwischen Kunst und Konsum, "Nichts" über Leere in der Kunst oder zuletzt "Outsider" über die Werke Geisteskranker.

Die Schirn machte sich nicht nur einen Namen – sie machte auch Namen groß. Der Österreicher Max Hollein, der die Kunsthalle seit 2001 führt, wurde in diesem Job einer der bedeutendsten Ausstellungsmacher Europas. Weil er die Schirn so erfolgreich leitete, bekam er zwei weitere Museen am Museumsufer dazu, das Städelmuseum sowie das darin integrierte Liebieghaus. Gab es unter seinen Vorgängern auch mal Barockes zu sehen, konzentrierte sich Hollein ganz auf die Moderne. Eine Kunsthalle, findet Hollein, "sollte sich nicht als temporäres Museum verkleiden". Also weg von der Kunstgeschichte, hinein ins pralle Leben. Er will "aktuelle Aspekte des Œuvres bedeutender Künstler aus zeitgenössischer Perspektive präsentieren" und versteht die Schirn als "Seismograph für brisante Entwicklungen in der bildenden Kunst".

Ein Museum erobert mit Kunstaktionen die Stadt

"Wir könnten viel mehr Besucher haben, wenn wir wollten", sagte Hollein kürzlich mit dem ihm eigenen Selbstbewusstsein bei der Vorstellung des Schirn-Programms 2011. Aber mit massenwirksamen Ausstellungen über prominente Maler hält er sich bewusst zurück, macht lieber Ausstellungen über die "Jugend von heute" oder machte bei "Playing the City" die ganze Stadt zum Schauplatz von Kunstaktionen.

40 Jahre lang klaffte nach dem Zweiten Weltkrieg eine Lücke in der Altstadt, bevor der Neubau von Bangert, Jansen, Scholz & Schultes die Lücke schloss. Das auffällige 140 Meter lange und nur 10 Meter schmale Haus gefiel seinerzeit beileibe nicht jedem. Am verhasstesten war den Frankfurtern immer der sogenannte "Tisch", ein Bauteil irgendwo zwischen Balkon und Unterstand, der demnächst abgerissen werden soll.

Kunsthalle Schirn: "Surreale Dinge" mit 180 Objekten von Künstlern wie Salvador Dali, Man Ray, Alberto Giacometti und Marcel Duchamp; bis 29. Mai zu sehen.

 

Printausgabe vom Mittwoch, 16. Februar 2011
Online seit: Dienstag, 15. Februar 2011 17:44:00

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