„Es wird in Linz viel über den Nationalsozialismus gesprochen und noch mehr gestritten.“ Mit diesen Worten eröffnete Linz09-Intendant Martin Heller die Diskussion und nahm damit bereits den Verlauf des Abends vorweg.
Kaum eine Stadt habe so früh mit der Aufarbeitung ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit begonnen, betonte der Linzer Bürgermeister, der wiederum die Ausstellung „Kulturhauptstadt des Führers“ heftig kritisierte. Bereits ihr Titel sei „banal“. „Ich wäre sicher auf einen besseren gekommen“, sagte Dobusch. Leider sei er nicht gefragt worden. Überhaupt sei die Ausstellung zu schmal konzipiert. Der Opferseite werde zu wenig Platz eingeräumt, und eine Einordnung der NS-Kunst- und Kulturpolitik in einen größeren Kontext fehle.
„Vielleicht zu subtil“„Stimmt nicht“, konterte Birgit Kirchmayr, Kuratorin der Ausstellung. Die Bezüge zwischen Kultur und den „Rassen“-Vorstellungen der Nationalsozialisten und ihrer Vernichtungspolitik seien klar herausgearbeitet: „Vielleicht aber zu subtil für manche Besucher.“ Bertrand Perz, Historiker an der Universität Wien, zeigte sich über die Kritik an der Ausstellungskonzeption verwundert: „Man muss nicht das KZ Mauthausen zeigen, um über NS-Kunst in Linz zu sprechen.“
Streitthema „Aphrodite“Hätte sich Linz09 eine breit angelegte Ausstellung zur Geschichte von Linz im Nationalsozialismus gewünscht, hätte man dies auch so artikulieren müssen, sagte Kirchmayr: „Die Intention meiner Ausstellung war immer eine andere.“
Kaum mehr Einigkeit herrschte unter den Diskutanten über den Umgang mit den Relikten der NS-Zeit. Im Vorjahr war die Aphrodite-Figur, ein offizielles Geschenk Hitlers an die Stadt, nach einer Aktion von Kunststudenten von einem Rondell auf dem Linzer Bauernberg abmontiert worden. Für Heller eine „vergebenen Chance“: „Eine Skulptur im Keller verschwinden zu lassen – ist das ein gekonnter Umgang mit der NS-Vergangenheit?“
Es handle sich um ein Depot, nicht um einen Keller, betonte ein sichtlich erregter Dobusch. „Was hätten wir machen sollen? Vielleicht einfach ein Taferl dranhängen?“ Das sei Aktionismus, so Perz. Die Statue sei nun mal ein Geschenk Hitlers an Linz gewesen. „Fakten kann man nicht im Keller verstecken.“
Heftig Kritik des Bürgermeisters auch am Denkmalamt: „Die stellen alles aus der Nazi-Zeit unter Denkmalschutz. Das kann nicht sein.“ Die Nibelungenbrücke, die Brückenkopfgebäude oder der Bunker am Andreas Hofer-Platz – nichts davon dürfe man verändern oder abreißen. Zustimmung kam aus dem Publikum – in Person von Dobuschs „Thronfolger“ Bau-Stadtrat Klaus Luger. „Es geht um den historischen Wert der Gebäude, nicht um das ästhetische Empfinden der Politiker“, merkte Historiker Bertrand Perz an.
Wo bleibt der Erfolg der NS-Aufarbeitung, wenn die Ergebnisse nicht ins kollektive Bewusstsein eindringen, fragte Intendant Heller zum Schluss: „Es reicht nicht zu wissen, man muss das Wissen erzählen.“