Kultur

"Herr Schröder hat den Rubikon überschritten"

22.06.2007 | SN
In den Bundesmuseen werde das wissenschaftlich fundierte Sammeln vernachlässigt, warnt Mumok-Direktor Edelbert Köb HEDWIG KAINBERGER

Hedwig Kainberger Interview Die Museumspolitik der Bundesregierung ist aus dem Lot. In der anschwellenden Debatte meldet sich der Direktor des Museums Moderner Kunst/Stiftung Ludwig (Mumok), Edelbert Köb, zu Wort.

Als der Direktor der Albertina, Klaus Albrecht Schröder, bekannt gegeben hat, er werde zwei an Ölbildern reiche Sammlungen übernehmen, warnten Sie vor einer "unkoordinierten museologischen und kulturpolitischen Kontinentalverschiebung". Was meinen Sie damit?

Köb: Die Sammlung des Bundes soll nachhaltig und mit möglichst wenig Überschneidungen strukturiert sein. Und dieses Prinzip wird mehr und mehr verwässert. Wenn Herr Schröder im SN-Interview (13. 6., Anm.) zur Rechtfertigung Überschneidungen von Museen in New York, London und Madrid nennt, dann ist dieser Vergleich falsch. Denn die genannten Museen haben unterschiedliche Betreiber. Doch die Albertina ist als Bundesmuseum Teil eines großen Ganzen.

Sollten die Sammlungen Forberg und Batliner nicht in die Albertina?

Köb: Ich habe kein Problem, wer auch immer was auch immer vorübergehend ausstellt. Die dauerhafte Präsentation von Leihgaben auf etwa 2000 Quadratmetern kostet in zehn Jahren ungefähr sechs Millionen Euro - für Licht, Aufsicht und Heizung. Es wäre wohl gescheiter, dafür etwa unserer Sammlung der Klassischen Moderne, deren Eigentümer der Bund ist, den nötigen Spielraum zu sichern oder Werke anzukaufen.

Welchen "Spielraum"?

Köb: Das Mumok hat eine kleine, aber schöne Sammlung Klassischer Moderne, aus der auch die Albertina regelmäßig Hauptwerke entlehnt. Gründungsdirektor Werner Hofmann hat sie in den 60er Jahren mit großem Fachwissen aufgebaut.

"Auch unsere Skulpturen sind meist im Keller." Wir haben keine Räume, um sie zu zeigen. Der Neubau des Mumok im Museumsquartier ist etwa ein Drittel kleiner geworden als vorgesehen. Auch unsere Skulpturen - von Brancusi und Giacometti bis Henry Moore - sind seit der Räumung des Zwanzgerhauses 1979 meist im Keller. Wäre es nicht besser, erst Platz für eigene Bestände zu schaffen?

Ist das Problem, dass die Albertina Ölgemälde aufnimmt oder dass sie auf Klassische Moderne setzt?

Köb: Die Albertina und andere sollen ruhig Sonderausstellungen mit Klassischer Moderne machen. Mein Kollege Schröder hat jetzt aber doch den Rubikon überschritten. Es geht doch nicht an, dass die Inhalte einzelner Bundesmuseen von Direktoren ohne Rücksicht auf das Ganze neu definiert werden. Natürlich ist die "Albertina" eine prestigeträchtige Marke. Aber oft wird vergessen, dass diese Marke von nachhaltig und wissenschaftlich arbeitenden Museumsdirektoren geschaffen wurde und auf der hohen museologischen Qualität der Sammlung beruht. Nur dass dort der Trampelpfad der Touristen vorbeigeht, ungenützte Räume vorhanden sind und ein tüchtiger Direktor Geld für den Ausbau aufgetrieben hat, ist keine Rechtfertigung dafür, dass die Albertina zu einem Metropolitan Museum mutiert.

Aber Herr Schröder sagt, er nehme nichts aus der Sammlung weg, er füge nur mit Privatsammlungen als Dauerleihgaben etwas hinzu.

Köb: In einer Privatsammlung geht es um einzelne "prestigiöse" Werke und nicht um kulturelle Zusammenhänge. Es kann doch nicht sein, dass in Bundessammlungen das dazukommt, wofür es zufällig Sponsoren gibt!

"Logisch wäre , die Albertina dem KHM anzuschließen." Außerdem: Wenn Herr Schröder sagt, es mache keinen Sinn, Grafiken und Zeichnungen allein zu sammeln, dann sollte doch der Schmiedl zum Schmied gehen.

Wer ist da der Schmied?

Köb: Logisch in dieser Denkweise wäre, die Albertina dem Kunsthistorischen Museum anzuschließen. Wenn es wichtig ist, Zeichnungen und Druckgrafik mit Malerei und Skulptur zusammen zu bringen, dann kann doch wohl nur das Kleine zum Großen kommen. Außerdem hätte das Kunsthistorische mit der Albertina die Ausstellungsräume, die ihm derzeit fehlen. Das ist eine simple Logik, bei der nicht der Schwanz mit dem Hund wedelt.

Bundesministerin Claudia Schmied hat angekündigt, als nächstes werde sie sich in der Kulturpolitik um Museen kümmern. Was steht an?

Köb: Das zentrale Problem ist das Fehlen eines Museums für Gegenwartskunst bzw. der Umstand, dass das Mumok mit dem viel zu klein geratenen Bau seine Aufgaben nicht erfüllen kann. Zweitens ist die sinnvolle Kanalisierung des freien Wettbewerbs notwendig.

Das Ergebnis: Zwei Gemischtwarenläden in Albertina und im Belvedere, Zeitgenössisches im MAK (Museum für Angewandte Kunst) -? Köb: Ja, das ist es! Wenn ich die Sammlung des MAK anschaue, sage ich: Nett, dass sich noch ein zweiter um die Aufgaben des Mumok kümmert! Und ich frage mich, ob es dazu auch eine entsprechende Design- und Architektursammlung der letzten 20 Jahre gibt.

Halten Sie den Wettbewerb zwischen Museen für gefährlich?

Köb: Nein, Wettbewerb ist gut. Es wird auch immer Überschneidungen geben. Das macht nichts, wenn es in Sonderausstellungen passiert. Tragisch ist nur, wenn die Entwicklung der Sammlungen des Bundes und deren Präsentation der Beliebigkeit anheim fällt. Wenn ich von meinem Budget 98% für Sonderausstellungen verwende, werden mich alle loben: 20 oder 30% Besucher mehr als im Vorjahr! Doch niemand wird schreien: Wo ist die Sammlung, die für die nächsten Generationen jetzt aufgebaut werden sollte?

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