Kultur/Medien | 05.09.01 | www.DiePresse.at
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Wie das Bewußtsein der Farbe befreit wurde

Kasimir Malewitsch (1878 bis 1935) setzte der klassischen Kunst ein Ende und verwickelte sich danach in Widersprüche. Wie sein Weg verlief, veranschaulicht die mit Hilfe des Staatlichen Russischen Museums St. Petersburg zusammengestellte Retrospektive im Kunstforum. Eine Kooperation mit der "Presse".

1915 hat Kasimir Malewitsch ins Schwarze getroffen - nämlich einen ersten, zentralen, radikal-revolutionären Beitrag zum Thema "Die Farbe Schwarz" geleistet. Sein "Schwarzes Quadrat auf weißem Grund" setzte er in der sogenannten "Letzten Futuristischen Ausstellung 0,10" in Petrograd in die "Schöne Ecke", die in Rußland einst Sitz der Hausikone war.
Im Zentrum der Ausstellung im Kunstforum der Bank Austria, dem Mittelsaal, hängen jetzt die um 1923 geschaffenen schwarzen Ikonen. Ihre Formen bestehen aus dem Quadrat, einem Kreuz und einer Kreisfläche. In ihrer Nachbarschaft das Rote Quadrat aus dem Jahr 1915, der Farbe des Safran der russischen Bäuerin folgend. Schwarz die Tiefe, das Emblem für Transzendenz; Rot das Leben - die Revolution!
Malewitsch entwickelte für diese Substrate den Begriff Suprematismus aus dem Lateinischen "Supremus" für das Höchste, Äußerste. Er sprach von "Suprematie der reinen Empfindung", die ihm dazu verholfen habe, "den Knoten der Weisheit" zu durchschlagen und "das Bewußtsein der Farbe" zu befreien. Er verlieh ihr Autonomie, einen Eigenwert - mit entsprechenden Folgen bis heute.

Späte Bauernfiguren

Das konnte in einer Welt der Politik, der Revolutionäre, denen die russische Avantgarde ursprünglich zuzuarbeiten bestrebt war, natürlich nicht verstanden und gutgeheißen werden. Ihr Sinn stand nach Volksnähe, nach schließlich so verordnetem "Sozialistischem Realismus". Die persönliche Geschichte des Künstlers als Maler und Theoretiker, der sich mit einem Zwiespalt auseinanderzusetzen hatte, ist davon betroffen und hatte ein in gewisser Hinsicht schizophrenes Spätwerk zur Folge.
Worauf der zunächst von Cézanne, den Fauves, den Symbolisten und Kubisten geformte Mann hinaus wollte, läßt sich gut an seiner 1914 entstandenen "Komposition mit La Gioconda" ablesen - einer Ikone des Westens. In diesem kubistischen Vorgangsweisen folgenden Bild streicht er die in die Malerei eingefügte Reproduktion der Mona Lisa durch. Und setzt in ihre unmittelbare Nachbarschaft ein weißes und sein schwarzes Rechteck. Malewitsch überschritt damit die Grenze zwischen dem (relativ) orthodoxen und dem einem Endpunkt entgegengeführten Bild. Womit er auf die von ihm selbst gestellte Frage, welche Folgen es für die Malerei haben würde, wenn sie von "den Umrissen des Objekts" befreit würde, entsprechend antwortete. Folgerichtig hätte er mit seinem "Schwarzen Quadrat" auch für sich selbst einen Schlußpunkt setzen müssen - statt dessen kam es zu Rückwendungen.
Um 1928/29 entsteht ein Block von Bildern, die entweder an die früheren, unter anderem an Fernand Léger "le tubiste" erinnernden, sehr kompakten und eindrucksvollen Arbeiten anknüpften oder - in Form von Köpfen, Torsi, Bauernfiguren - einen Zug ins Realistische auslösen. Die (politische) Öffentlichkeit täuschte er dabei durch Rückdatierungen. Dazu kommen Anleihen aus der Renaissance wie in einem 1933 entstandenen Selbstporträt, das anstelle einer Signatur ein kleines schwarzes Quadrat aufweist. Schließlich malt Malewitsch langweilige, uninspiriert-schematische Bilder im impressionistischen Stil, wobei er ein "Blumenmädchen" von 1930 wiederum auf das Jahr 1903 rückdatiert.
Jetzt wird von einem (durch die "Postmoderne" angeblich aufgewerteten) Stilpluralismus, einer neuen Sicht auf das Gesamtwerk gesprochen - aber das ist Unsinn. Malewitschs Schwächen in seiner Spätzeit, sein Lavieren sind unübersehbar, mitunter wirkt er auf tragische Weise hilflos. Wäre ihr Urheber nicht so bekannt und bedeutend: Kein Mensch würde sich um diesen Annex kümmern. Es gibt auch nicht die versprochenen Überraschungen. Es sei denn, man sehe sie in einer - bedingt durch die russischen Leihgaben - überfrachteten, überbetonten Entwicklung in einer leidvollen Zeit. Durch ihre Schaustellung ist es möglich, von der quantitativ bisher größten Präsentation des Künstlers im Westen zu sprechen.

Bis 2. Dezember, täglich 10 bis 19 Uhr, Mittwoch bis 21 Uhr. Informationen über Begleitprogramme: 01/537 33-26, Fax 01/533 733-27.

© Die Presse | Wien
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