Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte
Das Museum Liaunig zeigt seine Sommer-Ausstellung "Kunst in Österreich 1945-1980"

Kunst in vier Dimensionen

Museum 
als Teil der Landschaft: eine der beiden Terrassen der 
Ausstellungshalle. Foto: Museum Liaunig

Museum als Teil der Landschaft: eine der beiden Terrassen der Ausstellungshalle. Foto: Museum Liaunig

Von Eva Stanzl

Aufzählung Kunst, Architektur, Landschaft und die geistige Allgegenwart eines Sammlers.
Aufzählung Intensive Zusammenschau als Gesamtwerk.

Neuhaus. Wer eine Festung der Kunst erwartet, wird enttäuscht. Denn er betritt eine Oase. Das Museum Liaunig ist ein architektonischer Glückswurf in Beton und Glas als kongeniales Baumaterial. Schon im Entree ist klar: Der Besuch ist es wert, erlebt zu werden. Kaum ein Museumsbau ist für Besucher so klar strukturiert erlebbar wie dieser der Wiener Architekten Querkraft.

Vom Entree führt eine Promenade, entlang dessen eine Glaswand den Blick auf das sorgfältig sortierte Schaulager des Sammlers freigibt, in die Ausstellungsräume. Im kleineren Raum hängen Grafiken, deren Titel in den Boden geschrieben sind, sodass eine Gruppe von Menschen sich beim Betrachten nicht stört. Und in der 160 Meter langen, von Tageslicht beleuchteten Haupthalle stehen die Gemälde im Wettkampf mit der Romantik des Drautals, das durch zwei 60 Quadratmeter große Fenster immer dort herein blickt, wo es hingehört. Ein stiller Rapport und eine Erholung für die Augen.

Bis Ende Oktober sind hier in Neuhaus an der Drau in Südkärnten 350 der rund 2500 Bilder umfassenden Sammlung des Industriellen Herbert W. Liaunig zu sehen. Wer die Ausstellung "Tradition und Avantgarde – Kunst in Österreich 1945-1980" besucht, unternimmt unter anderem eine Reise zurück zu den Anfängen einer Leidenschaft, die mit dem Ankauf eines Blattes von Arnulf Rainer Mitte der 60er Jahre begonnen hat. Der aus Tirol stammende Herbert Liaunig war damals noch kein bekannter Sammler, sondern Student an der Wiener Hochschule für Welthandel. Erst nach und nach kamen zu der heute beachtlichen Sammlung an größtenteils österreichischer Nachkriegskunst die Namen – Martha Jungwirth, Karl Anton Fleck, Valie Export, Herbert Boeckl, Walter Pichler, Maria Lassnig. Rund 700.000 Euro investiert der Industrielle und Sanierer von verstaatlichten Betrieben heute jährlich in Kunst.

Reines Privatmuseum

Als er in seinem Wohnsitz, das gegenüber liegende Schloss Neuhaus, keinen Platz mehr hatte, um die stets wachsende Sammlung zu beherbergen, erfüllte Liaunig sich einen Traum und baute ein Museum dafür. Das sieben Millionen Euro-Gebäude wurde 2008 eröffnet. Alleinfinancier ist Herbert Liaunig. Das Land Kärnten wollte sich nicht beteiligen. Der Vorteil an einem reinen Privatmuseum: "Ich kann das Programm machen, das ich will", sagt Liaunig. Das Museum ist von Mai bis Oktober geöffnet und nach Anmeldung zu besuchen. Allein 2009 traten 8400 Menschen den Weg nach Neuhaus an.

Wie ihr Titel erahnen lässt, ist die Sommerausstellung eine historisch gereihte Zusammenschau. Hier Künstler der ersten Wiener Galerien, die in den späten 50er Jahren eine Kunstszene entwickelten. Dort die Wiener Künstlergruppe "Wirklichkeiten", die 1968 gegen den Strich zeichnete, während man in anderen Städten Europas demonstrierte. Einige hochwertige Exponate konkreter Kunst, sowie maßgebliche Vertreter des Wiener Aktionismus.

Interessanter noch als die historische Abfolge ist die Intensität der Sammlung. So finden sich anspruchsvolle Arbeiten der Zeichner ab 1950 oder ist Herbert Boeckl gleich mit sieben Werken vertreten. Unter den Konkreten kann finden sich zwei Gemälde des hierzulande selten gesehenen Jorrit Tornquist. Von den Aktionisten ist ihr wohl konsequenteste Mitglied, Rudolf Schwarkogler, am prominentesten platziert.

Doch Liaunigs Sammlung hat nichts zu tun mit einer Abfolge im Sinne einer Hierarchie der Prioritäten. Nur das Ganze zählt. Das Ganze, das sie beim Blick aus den Fenstern der Ausstellungsarchitektur mit dem Zauber der Südkärntner Landschaft selbstbewusst aufnimmt.

Die Summe als Ganzes

Kein Exponat könnte für das Ganze stehen. Wer kommt, dem wird der Besuch zum Erlebnis in vier Dimensionen: Als erste das Erlebnis der Architektur, als zweite die Auseinandersetzung mit den Exponaten, als dritte der Eintritt in die Landschaft und des Sonnenlichts in den Innenraum und als vierte die geistige Allgegenwärtigkeit des Sammlers, der das Ganze als Ganzes im Lebenswerk geschaffen hat.

Printausgabe vom Mittwoch, 07. Juli 2010
Online seit: Dienstag, 06. Juli 2010 17:04:28

Kommentar senden:
Name:

Mail:

Überschrift:

Text (max. 1500 Zeichen):

Postadresse:*
H-DMZN07 Bitte geben sie den Sicherheitscode aus dem grünen Feld hier ein. Der Code besteht aus 6 Zeichen.
Bitte beachten Sie dabei die Groß- und Kleinschreibung!


* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht veröffentlicht.

Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at