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Zeitgenössische Kunst: Budapest, das neue Berlin

25.04.2009 | 17:31 | von Almuth Spiegler (Die Presse)

Allein 18 Galerien für zeitgenössische Kunst wurden in den vergangenen drei Jahren in Budapest gegründet. Ein neugieriger Besuch im Vorfeld der „Viennafair“, an der übernächste Woche sechs ungarische Galerien teilnehmen.

Nur zwei Budapester Galerien nahmen 2008 bei der auf Osteuropa fokussierten „Viennafair“ teil, ganze sechs sind es heuer. „Nach Warschau ist Budapest im Moment die boomende Kunststadt im ehemaligen Ostblock“, verrät Edek Bartz, künstlerischer Leiter der Messe, im Vorfeld der großen Show, die in zehn Tagen startet.

Also Budapest, mit dem Zug nicht weiter weg von Wien als Salzburg, in den Köpfen aber noch immer so fern. Unser Pech, denn hier jagt an einem guten frühsommerlichen Abend eine Vernissage die andere, bummeln Hundertschaften zum Opening auf die Margareteninsel oder durch eine ganze Straße voller kleinerer, größerer, avancierterer und altbackeneren Galerien beim „Falk Art Festival“.

Im alten jüdischen Viertel hat sich eine alternative Szene eingenistet – in leer stehenden Geschäftslokalen, bevor der nächste Mieter einzieht, in Hinterhöfen, in denen gegrillt wird, einem alten Turnsaal, meist in parasitärer Gemeinschaft mit neuen, schräg gestalteten Cafés. Hier fühlt es sich an wie in Berlin vor zehn Jahren, als Off-Räume noch Off-Räume waren und das schicke Schäbige noch authentisch, nicht teuer erhalten war.

„Ja, hier ist viel los“, schmunzelt Kunstberaterin Anna Bagyo über das Erstaunen. „Aber alles bleibt noch im Land, wenig dringt nach außen.“ Obwohl schon immer mehr Galerien auf internationale Messen reisen würden, erklärt sie, gehe es trotzdem noch vorwiegend darum, zeitgenössische ungarische Kunst einfach sichtbar zu machen, auch im Land selbst, denn trotz aller guter Stimmung sei die Szene schon noch sehr traditionell.

Fest in weiblichen Händen. Allein in den vergangenen drei Jahren aber wurden ganze 18 Galerien für Gegenwartskunst gegründet. Und die meisten davon, die besten jedenfalls, scheinen fest in weiblicher Hand – selbst die Knoll-Galerie wird in Abwesenheit des Meisters von Krisztina Hunya, einer selbstbewussten jungen Sammler-Tochter betreut, die fließend Deutsch parliert.

Gleich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs eröffnete Knoll damals in einem versteckten kleinen Appartement die erste professionelle Zeitgenossen-Galerie der Stadt, dem Raum ist er bis heute treu geblieben, obwohl er als Mitveranstalter der Moskauer Kunstmesse eine nicht unwichtige Rolle am postkommunistischen Kunstmarkt spielt. Viele ungarische Sammler hat er seither gecoacht, manche, wie das Sammlerpaar Szolt/Spengler (siehe Interview) nennen ihn „Mentor“.

Es sind rund 150 Sammler, die sich heute in Ungarn für zeitgenössische Kunst interessieren, schätzt Bagyo, 50 davon wären „gute“ Sammler, 20, 30 würden auch international sammeln. Sie begleiten eine neue, ehrgeizige Generation an Galeristinnen, die professionell agieren und fremdsprachenversiert sind, auch der Staat unterstützt die Szene: Drei Kunstmagazine sponsert die Nationale Kulturstiftung, die nach einem Jahr Bewährungszeit auch Galerien und Messeauftritte direkt unterstützt, ein eigenes Programm bringt internationale Kuratoren in das Land.

Eine wichtige Einrichtung, meint Margit Valkó. Sie handelte bereits Jahrzehnte mit klassischer Moderne, womit als Einziges Geld zu verdienen war, bevor sie sich vor drei Jahren den Traum ihrer eigenen Galerie erfüllte – „die Zeit war reif, es gab endlich einen Markt, vier, fünf Sammler“. In einer charmanten kleinen Fußgängerzone in der Altstadt gründete sie „Kisterem“ und fährt ein strenges künstlerisches Programm, nämlich ausschließlich das eigene: Und das bedeutet jüngere internationale Konzeptkunst.

Ihr Selbstvertrauen gab ihr recht: Heuer ist sie bereits auf der „Liste“ vertreten, der jungen Entdeckermesse während der großen „Art Basel“. Auf die „Viennafair“ geht sie heuer das zweite Mal, bringt Videos von Barbara Follárd, Objekte von Adam Kokesch und Malerei von Katalin Káldi mit – „Aber ich glaube, eine Messe rentiert sich erst beim dritten Auftritt“, zeigt sie sich realistisch. Ebenfalls den Sprung nach Basel könnte die Inda-Galerie heuer schaffen, sie steht zumindest auf der Warteliste der Satellitenmesse „Volta“. Sie hätten bereits Sammler aus der Schweiz und anderen Ländern, Österreicher seien aber noch keine darunter, hofft Kobesitzerin Agnes Taller auf die „Viennafair“, die schon allein deshalb wichtig sei, um den 30 bis 40 anreisenden ungarischen Sammlern zu beweisen, in einem internationalen Umfeld bestehen zu können.

Ein Sammler von 11 Jahren. Die jüngste Budapester Galerie, die auch zur „Viennafair“ kommt – sie eröffnete im November –, ist auch die größte: Das Gassenlokal von „Viltin“ in der Altstadt ist riesig, allein 268 Quadratmeter reine Ausstellungsfläche. Drei Leute leiten das Unternehmen, bisher hat man nur ungarische Künstler im Programm, nächstes Jahr will man mit internationalen Kuratoren starten.

Ist die Wirtschaftskrise nicht ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, eine noch dazu derart große Galerie zu starten? „Es fiel nun einmal zusammen“, meint Krisztina Dián achselzuckend. Jeder fühle zwar im Moment das Zögern der Sammler, trotzdem bleiben sie unverzagt – „Wir haben sogar einen 11-Jährigen, der schon gekauft hat und sich alle Ausstellungen ansieht.“


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