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Kunstrestitution: Das doppelte Leopold-Drama

12.03.2008 | 18:29 | BARBARA PETSCH (Die Presse)

Falls die Stiftung unter das Kunstrückgabe-Gesetz fällt, droht der Verlust vieler Bilder. Auch „Wally“ könnte nach einem kostspieligen Rechtsstreit auf den Kunstmarkt entschwinden.

Schandmale“ des Nationalsozialismus beseitigen – unter diesem knalligen Titel starten die Grünen am heutigen Donnerstag eine weitere Attacke gegen das Leopold-Museum. In ihrem „Antragspaket“, das sie im Parlament einbringen, verlangen sie eine Neufassung der Kunstrückgabe: Ausdehnung der Restitutionsverpflichtungen auf den ganzen Bund sowie jene bundesnahen Institutionen, die der Rechnungshof-Kontrolle unterliegen. Dieser Passus zielt auf die Leopold-Stiftung.

Grünen-Kultursprecher Wolfgang Zinggl wirft Ministerin Claudia Schmied „Antriebsschwäche“ vor. Auch wenn Anträge häufig versanden, eines steht fest. Die Leopold-Stiftung ist in der Krise. Zwei Gutachten im Auftrag der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) orten NS-Opfern „entzogene“ vulgo Raubkunst im Leopold-Museum und halten die Unterwerfung der Leopold-Stiftung unter das Kunstrückgabegesetz für verfassungskonform. Ministerin Schmied plant eine Novellierung, die sich ursprünglich auf kleinere Verbesserungen beziehen sollte wie mehr Koordination von Provenienz-Forschung und Kunstrückgabekommission.


„Eher mehr als weniger Bilder“ strittig

In den letzten Tagen aber scheint es mehr und mehr um eine Lex Leopold zu gehen, die z.B. so aussehen könnte, dass Privatstiftungen mit einem Staatsanteil von 25 Prozent wie die Bundesmuseen behandelt werden. 28 Prozent des Wertes zahlte der Staat in den Neunzigern für die Sammlung, außerdem errichtete er das Museum im MQ. Dass Österreich für einen geringen Teil des Wertes eine einmalige Sammlung erhielt, sollte nicht vergessen werden. Die Stiftung behauptet, der Staatsbeitrag sei mittlerweile auf vier Prozent geschrumpft – durch die starken Wertsteigerungen der letzten Jahre.

Nur noch zwei Auswege gibt es für die Stiftung: Neuwahlen. Die nächste Regierung hätte andere Sorgen als Kunstrückgabe. Und: die Führung eines Prozesses bis zum Verfassungsgerichtshof bzw. Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg, bei dem die Lex Leopold aufgehoben wird. Schmied und ihre Berater, darunter der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes oder Clemens Jabloner, Präsident des Verwaltungsgerichtshofes und Vorsitzender der Kunstrückgabekommission, werden allerdings vermutlich alles unternehmen, um eine wasserdichte juristische Lösung zu finden.

Wie viele Bilder könnten beansprucht werden, falls die Leopold-Stiftung ins Gesetz integriert wird? Die Schätzungen schwanken zwischen drei und 20: „Eher mehr als weniger“, meint ein Beobachter sarkastisch. „Es werden sich Anspruchsberechtigte finden“, heißt es bitter im Museum. Dort hegt man noch einen anderen Verdacht: Die „Kampagne“ der IKG bereitet gerade jetzt den Boden für die Novellierung des Kunstrückgabegesetzes, weil in den USA demnächst wichtige Entscheidungen über Schieles „Wally“ fallen, die vor zehn Jahren bei einer Ausstellung im Museum of Modern Art in New York beschlagnahmt wurde. Die Prozesskosten der Leopold-Stiftung sollen sich inzwischen auf 500.000 Euro belaufen. Wie lange der Rechtsstreit noch weitergeht, ist ungewiss.

Sobald das Kunstrückgabegesetz für die Leopold-Stiftung gilt, könnte der Staat einen Kompromiss vorschlagen, um weitere Anwaltskosten zu sparen: „Wally“ wird vor den Kunstrückgabebeirat gebracht und den Erben nach Lea Bondi zurückgegeben. Vorbild könnte die Klimt-Causa sein, wo Schiedsrichter berufen wurden, um den jahrelangen Rechtsstreit zu beenden – mit bekanntem Ergebnis: Die Klimts wurden Maria Altmann zugesprochen. Kenner amerikanischer Rechtsprechung sagen: Die Leopold-Stiftung wird die „Wally“ so oder so verlieren, entweder bald oder später.

Das glamouröse Gemälde wäre ein Star auf dem Kunstmarkt, der Schiele zu neuen Rekorden brächte. Die derzeitigen rund 20 Mio. Euro könnten um einiges überschritten werden. Warum? Schieles junge Geliebte ist auf dem Bild zu sehen, die Publicity durch die Beschlagnahme ist enorm – und die Herkunft aus dem edlen Leopold-Museum ungeachtet der Provenienz-Geschichte attraktiv: Der Salzburger Kunsthändler Friedrich Welz „erwarb“ 1938 von seiner Wiener Kollegin Lea Bondi die Galerie Würthle und nahm ihr auch „Wally“ ab, eine Erpressung.

Ebenso zu Höchstpreisen am internationalen Kunstmarkt verkäuflich wären die aus der Sammlung Jenny Steiners stammenden „Häuser am Meer“ von Schiele im Leopold-Museum, um die Steiners Erben ringen.


Unabsehbare Konsequenzen

Könnte Leopold mit der Herausgabe oder gar Ablöse zweier Gemälde (40 Mio. Euro?) erreichen, dass das Museum in Ruhe gelassen wird? Nein, dazu gibt es zu viele, die Ansprüche erheben könnten. Elf Werke zweifelhafter Provenienz förderte allein das Gutachten von Univ.-Prof. Georg Graf hervor, das die IKG diese Woche bei einer Pressekonferenz präsentierte. IKG-Präsident Muzicant urteilte: „Eindeutig Raubkunst.“

Im Leopold-Museum herrscht Bunkerstimmung. Seit Wochen scheint man in der Defensive zu verharren. Im Februar trat Zinggl die Affäre los, indem er „Raubkunst“ in der Egger-Lienz-Ausstellung ortete, 14 Bilder, von denen die meisten aus Sammlungen in den Bundesländern stammen.

„Eine Gemeinheit“, sagen Insider. Andere formulieren trockener: „Im Egger-Lienz Museum in Lienz (Schloss Bruck, Red.) hätte sich kein Mensch für angebliche Raubkunst interessiert. Im Leopold-Museum findet das natürlich viel mehr Resonanz.“ Dort gerät man zunehmend unter Druck. „Gesetze sind einzuhalten“ ist nun die offizielle Devise, sprich: Wenn die Lex Leopold kommt, wird man sich daran halten.

Zuvor kommt freilich noch der jahrelange Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit der Novelle mit Verfassungsgerichtshof und Menschenrechtsgerichtshof: Dafür wird „Munition“ gesammelt: Eingriff in eine Privatstiftung, deren Satzung sagt, dass die Sammlung ungeteilt erhalten werden muss. Das ist das Kernargument des mit Juristen reich bestückten Vorstands der Leopold-Stiftung: dort sitzen u.a. die Anwälte Martin Eder und Andreas Nödl, die Sektionschefs Wolfgang Nolz (Finanzministerium) und Helmut Moser (Bildungsministerium).

Ein weiteres Argument der Leopold-Seite wird von IKG-Gutachter Graf zurückgewiesen: Wenn die Leopold-Stiftung dem Gesetz unterworfen wird, muss der Staat hohe Entschädigungen für die Enteignung von Bildern bezahlen. Stimmt nicht, sagt Graf. Für Zündstoff in der Debatte ist noch lange gesorgt. Schiele und Klimt aber heben weiter ab. Bei den Verkaufspreisen hat immer noch Klimt die Nase vorne, mit Rekorden von 80–100 Mio. Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2008)


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