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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
08. Februar 2007
19:49 MEZ
Bis 22. April 
Foto: Kargl
Das Eliminieren von Grautönen lässt Kempingers Baustellenaquarelle wie surreale Bühnenbilder erscheinen.

Vergänglichkeit eines Schaumbläschens
Temporäre Volumina und Raumillusionen bei Herwig Kempinger im Lentos

Linz - Was kommt, wenn eine künstlerische Technik irgendwie ausgereizt ist, wenn sie gar anfängt zu nerven? "Man muss hunderte Euros auf den Tisch legen, um ein Foto so zu sehen, wie es sein soll. Erst dann kann man sagen, ob es passt. Das ist mir nach 20 Jahren so auf die Nerven gegangen, dass ich das Gefühl hatte, ich würde gerne in einem etwas intimeren Bereich arbeiten, der mehr 'hands on' ist."

Herwig Kempinger, seit seinem Studium an der Wiener Angewandten (1976 - 1980) eng mit dem Medium Fotografie assoziiert, hat seine Konsequenzen gezogen und aquarelliert jetzt. Nicht etwa bunte Flora, sondern Baustellen Schwarz auf Weiß. Das Linzer Museum Lentos zeigt seine jüngsten Malereien zusammen mit Arbeiten aus den letzten zwanzig Jahren, darunter auch experimentelle Super-8-Filme. Digital Sky & Flat Space ist die erste große Personale des bald 50-jährigen Oberösterreichers, der 2006 den Landeskulturpreis erhielt.

Der handwerkliche Wechsel vom Auslöser zum Pinsel ist kein radikaler Bruch Kempingers, denn ihn hat stets nur das Ergebnis des Bildes, nicht dessen Entstehungsprozess interessiert. "Der Fotografie bringe ich so viel Sympathie entgegen wie jedem anderen brauchbaren Werkzeug, wie einem Schraubenzieher oder einem Maßband zum Beispiel".

Was ihn reizte, war die Möglichkeit der Kontrolle - etwa über Perspektive und Licht - und die Tatsache, dass die Fotografie keine sichtbaren Spuren der Produktion hinterließ. Die glatte Perfektion seiner Raum und Licht illusionierenden früheren Arbeiten ist nun lasierenden, weich verlaufenden Linien gewichen, die sich in schwarzen Bahnen und Flächen und mittels Potenzierung der Kontraste am Computer zu regelrecht monströs erscheinenden, surrealen Bauskeletten verketten.

"Baustellen sind die größten, gewaltigsten temporären Inszenierungen, die wir heute haben, so ähnlich wie die Oper", beschreibt Kempinger die Faszination dieser urbanen Alltäglichkeit. Diese permanente Veränderung ist auch der Fotoserie der Bubbles (2004) gemein: In starkem Gegenlicht aufgenommen, heben sich Seifenschaumbläschen dunkel vor diffusem Weiß ab und wirken dabei der Wirklichkeit ebenso weit entrückt wie ein kurzer sanfter Schlummer in der Badewanne.

Endlosigkeit

Trotz der Distanz des Blicks auf der einen, der Nahsichtigkeit auf der anderen Seite sowie graden Formen gegenüber runden, gibt es eine weitere Gemeinsamkeit, der im Dialog ausgestellten Werkgruppen: Das Geflecht ihrer Strukturen könnte sich außerhalb des Bildrands ins Endlose fortsetzen. Die Bildgrenze ist dabei lediglich, so Kempinger, die Akzeptanz eines Zustands, der auch anders aussehen könnte.

Die imaginierte Endlosigkeit aber findet sich auch in den Troubled Walls (1994), Fotografien, die nur mehr verblassende Erinnerungen an so etwas wie Schatten tragen, den Wolkenbildern (1996 - 2002), aber auch in den Farbräumen der frühen 90er-Jahre wieder. Eine Endlosigkeit, die sich eventuell auch in den fünf großen Raumfluchten des Lentos wieder findet - deren Weite sich aber mehr als Gefängnis erlebt.

Kühle und Distanz von Kempingers Bildwelten vermag das herauszukitzeln, nicht aber deren sinnliche Qualitäten. Der Raum, der sich in Kempingers Bildern auftut, muss genügen. Außerhalb davon stößt er bald an undurchlässige Außenmauern. Denkt man an Kempingers Arbeiten für den öffentlichen Raum, Astgeflechte zum Beispiel, die sich auf Glasteilen auswachsen, schürt das die Sehnsucht, irgendwo würde sich ein Riss in der Wand auftun. Ein Stückchen Blau vom Himmel oder des Lentos (keltisch "die Flusskrümmung"), das die Bubbles, im kostbaren Moment vor ihrem Zerplatzen, nicht nur mit den Wasserblasen gegenüber plaudern ließe. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.2.2007)


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