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31.10.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Burgtheater: In Wien mischen sich die Szenen
VON ALMUTH SPIEGLER
Porträts. Im Burgtheater gibt es neue Bilder alter Stars zu sehen, im Belvedere Bildnisse von Adeligen und Bürgern.

Fast manisch pressen sich allerorts die Finger auf die Auslöser der Digicams, fast panisch scheinen wir heu te unserem eigenen Abbild hinterherzujagen. Die digitalen Ahnengalerien des 21. Jahrhunderts sind nicht mehr zu überblicken. Mit Künstlern wie Lucian Freud, der etwa das nackte Model Kate Moss malte, oder Elizabeth Peyton, die ausschließlich kleine Porträts anfertigt, erlebte dieses altbewährte Repräsentierformat in den vergangenen Jahren parallel zum Wiederaufschwung der figürlichen Malerei auch in der zeitgenössischen Kunst wieder ein Revival.

Rümpften die Künstler vor noch gar nicht langer Zeit gerne die Nasen über ihre Kollegen, die sich mit Porträtmalerei durchschlugen, sind prominente Modelle heute der schnellste Weg in die Schlagzeilen, sei es mit der Skulptur einer auf allen Vieren kauernden, gerade gebärenden Britney Spears (Daniel Edwards), sei es mit einem, freundlich gesagt, stark verfremdeten Porträt von Queen Elizabeth, wie es gerade George Condo in der Tate Modern London ausstellt.

So gesehen ist SP-Vorsitzender Alfred Gusenbauer am Puls des Zeitgeists: Auf fast allen Interview-Fotos nach der Wahl sah man hinter seinem Schreibtisch mächtig ein rotes Porträt Bruno Kreiskys hängen. Das Bild aus Plastik, Leinwand, Ölfarbe entstand erst heuer auf Vermittlung der Galeristin Silvia Steinek, die den 1962 in Frankreich geborenen und in Wien lebenden Künstler Sebastien de Ganay sanft dazu anstiftete. Die wenigsten Künstler - eine ist Maria Lassnig - lehnen solche Aufträge heute prinzipiell ab.

So wollten auch Elke Krystufek, Franz Graf, Josef Kern, Ilse Haider, Gregor Zivic und Christy Astuy dem Angebot des Kunsthistorikers Otmar Rychlik nicht widerstehen, der im Auftrag von Burgtheater-Direktor Klaus Bachler gerade die sogenannten Ehrengalerie des Hauses nach rund 30 Jahren wieder aufleben lässt. Nach Zufallsprinzip teilte er seinen Künstlern die zwölf von Bachler ausgewählten Schauspieler zu - Andrea Clausen, Karlheinz Hackl, Elisabeth Orth, Branko Samarovski, Gertraud Jesserer, Klaus Maria Brandauer, Kirsten Dene, Gert Voss, Annemarie Düringer, Ignaz Kirchner, Martin Schwab, Michael Heltau.

Gegründet unter Joseph II. 1776, noch im alten Burgtheater am Michaelerplatz, zählt die Porträtgalerie zu den größten ihrer Art, am ehesten vergleichbar mit der Galerie der Comédie Française in Paris. Von den 184 Gemälden und Büsten sind heute rund 60 in Pausenfoyers und Stiegenhäusern ausgestellt, darunter (im zweiten Foyer) ein echter und ein "falscher" Waldmüller.

Das erste Foyer wird seit vergangener Woche aber optisch von den Neuzugängen dominiert. Vorgaben für die Künstler gab es außer einer Maximalgröße keine. Und bis auf Brandauer trafen einander alle Beteiligten auch persönlich, erzählt Rychlik, der sich vor allem darüber freut, dass zwei sonst eher getrennte Szenen sich mischten - und dass das Theatralische, die Bühne, fast in jedem Bild irgendwie auftaucht, sei es in den Texten, mit denen Krystufek die Köpfe von Brandauer und Dene umfließen lässt.

Besonders gelungen sind die wie extreme Nahaufnahmen wirkenden Kohle-Porträts Franz Grafs von Orth und Kirchner. Und die inszenierten Fotografien von Gregor Zivic, der Jesserer und Voss in surreal anmutenden Wohnräumen posieren ließ. Denn eines ist klar: Porträtgalerien dürfen heute nicht mehr rein in Öl konserviert werden. Dass in der nächsten Runde aber Videokunst einzieht, so Rychlik, brauchen konservativere Geister nicht fürchten. Das Haus erlaubt die dafür nötigen technischen Einbauten nicht.

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