Quer durch Galerien
Aus Libyen wird Frankreich
Von Claudia Aigner
Wie soll denn das gehen? Womöglich mit einer
menschenrechtlich bedenklichen Operation, Codename "Camembert"?
(Gehirnwäsche durch gentechnisch veränderten Camembert, der die libysche
Bevölkerung allmählich zu Konsumidioten nach amerikanisch-europäischem
Vorbild macht oder sie zumindest zu einer Grand-Nation-Mimikry verleiten
soll: Im Endstadium würden dann alle Libyer nur noch mit geschultertem
Baguette vor die Tür gehen.) Wohl kaum. Das könnte ja nur einem
pathologischen Hirn entspringen. Pawel Susid macht es sich da viel
einfacher. Er verändert lieber die libysche Fahne Schritt für Schritt, bis
sie aussieht wie die französische. "Semiotic Landscape": Die
Ausstellung im Rahmen des Polnischen Jahres in Österreich, die davon lebt,
dass der Mensch die Zeichensprache liebt und dass in seiner Umgebung
Verkehrszeichen und Firmenlogos so gut gedeihen, ist noch bis 17. August
verteilt auf die Charim Galerie (Dorotheergasse 12, nach Vereinbarung:
0664/403 40 13) und aufs artLab (gleich nebenan). Die Kuratorin Dorota
Monkiewicz stellt dabei sehr geschickt polnische und österreichische
Künstler einander gegenüber. Zu Susids dekorativer Flaggenspielerei könnte
ja kaum etwas besser passen als Peter Weibels "Neue Weltordnung", wo die
Staaten der Welt am Computer kreativ zu einer nagelneuen Geografie
zusammengepuzzelt werden. (Chile? Ach ja, das ist ja diese Insel westlich
von Angola.) Nehmt und seift euch damit ein, das ist mein Körperfett!
Joanna Rajkowska ist eine Art Konsummärtyrerin (oder "Autokannibalin").
Sie macht nämlich ihren Körper konsumentenfreundlich und macht - ich
nehm's ihr ja nicht ab - Seife aus ihrem Körperfett (die soll allerdings
eine unangenehme, na ja zumindest unheimliche Nebenwirkung haben:
Masturbation). Makabre Tiefkühlkost: eine Frau zur praktischen Entnahme.
Sackerl aufreißen, Frau herausschütteln. Bequem portionierbar. Die
Rajkowska hat sich hier selbst zu mundgerechten Bällchen verarbeitet.
(Wenn man's glaubt.) Das ist die kultivierte, für die Marktwirtschaft
adaptierte Form des Kannibalismus. Und die Präsentation ist einfach
professionell (Werbeplakate, Verpackungsdesign). Eine kecke, witzige
Oberfläche fürs harte Künstlerdasein. Hier geht eine Künstlerin völlig in
der freien Marktwirtschaft auf. Ebenbürtig: Das intensive, lebensnahe,
ziemlich schonungslose Parfum "213" (die Vorwahl von Downtown Los
Angeles), das Christine Gloggengiesser unter dem Label "Selegna Sol" (L.A.
für "Linksleser") für 80 Euro auf den Markt wirft. Kein weltflüchtiger,
lieblich-würziger Duft. Eher der einer brünstigen Klofrau ("Eau de
Toilette" ist trotzdem keine charmante Umschreibung für Urin),
abgeschmeckt mit dem Körpergeruch eines schwitzenden Fast-Food-Kochs bei
McDonald's und einem bisschen Mundgeruch wie vom Marlboro-Mann (also
rauchig herb). Aber diese Aromen riecht man vielleicht bloß ins Parfum
hinein, weil die suggestive Werbung nahe legt, hier habe jemand
Geruchsproben aus dem authentischen Leben von L. A. oder aus einschlägigen
Körperregionen gezogen (aus den Achselhöhlen von kernigen Bauarbeitern zum
Beispiel - mmh!). Der Zerstäuber ist freilich weit davon entfernt, wüste
Blähungen auszustoßen, wenn er "pfft!" macht. Im artLab nebenan u. a.:
das christliche "Logo" von Kijewski/Kocur. Der Gekreuzigte, reduziert auf
ein Strichmännchen aus Neonröhren. "Ich bin das Licht der Welt" in der
Zeichensprache der Leuchtreklame? Die Arbeiten sind jedenfalls alles
andere als trockene Zeichentheorie. Ich habe fast jede genossen. Auch
intellektuell.
Erschienen am: 02.08.2002 |
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