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Kunstberichte

Die Torte nicht wecken!

Aufzählung (cai) "Institut für Heil & Sonderpädagogik"? (Noch dazu ohne Bindestrich nach "Heil".) Muss was mit strenger Brutpflege zu tun haben.

Womöglich eine Anstalt für störrische Töchter, die die Ballettschule schwänzen oder sich die Achselhaare nicht wegrasieren wollen. Andererseits ist eine Abteilung "zur Prävention von Prinzessinnen und anderen Geschlechtskrankheiten" geplant. Und das klingt eher feministisch, also aufmüpfig. Die Institutsleiterin, Michaela Spiegel, ist ja selber bockig. Und hat offenbar schon vielen Elfen die Beinchen ausgerissen. Im Märchenland ein "Elfenbeindesaster" angerichtet.

So ein Extremitätchen gibt’s auch in der "Zweigstelle Ost" (in der Galerie Steinek). Überall sieht man da bös-ironische Objekte und Bilder über den Umgang mit der Weiblichkeit (Prädikat: besonders bewusstseinsfördernd). Und alle sind umgeben von einer edlen, kostbaren Aura. "Die Frau Torte die verdorrte": Seit 2001 liegt diese echte Prinzesstorte, der aufgedonnerte Kalorien-Vamp, bereits in der Vitrine. Erinnert ein bissl ans scheintote Schneewittchen im Glassarg oder ans Dornröschen. Ein zufällig vorbeikommender Prinz sollte die Torte aber lieber doch nicht abbusseln. Die dürfte inzwischen ungefähr so bekömmlich sein wie die Lippen von Tutanchamun.

In einem Flakon schwimmt dann ein deformiertes Etwas: ein "Damenmagen". Da könnten sich bestenfalls ein paar Babykarotten reinzwängen. Hungern ist halt damenhaft. Als naive Gscherte aus Kärnten, als "Provinzessin" (Tschuldigung, Wortspiele sind so ansteckend), hab ich natürlich den Knopf für den Soundeffekt "Magenknurren" gesucht. Vergebens. Und die gelbe Flüssigkeit? Vielleicht wirklich Parfum und nicht das, was aus Hygienegründen gern von Kamillentee gedoubelt wird. Das ist ja keine "Damen blase ". Stark!

Suche Nagel, biete Bild

Aufzählung (cai)Da gibt’s mehr Action als in ... äh ... hm ... als in einem Besenkammerl. Jede Woche werden alle Bilder abgenommen, ehrenamtliche Kunstfreunde laufen damit, sobald Musik ertönt ("Bilder einer Ausstellung" von Mussorgski), zwanglos in der Galerie herum, und wenn besagte Musik plötzlich wieder aufhört, versucht jeder panisch, seins auf einen freien Nagel zu hängen. Doch ein Nagel ist immer zu wenig und das Bild, das zu lahm ist, fliegt raus. Bis am Ende bloß noch eins da sein wird. Okay, das hab ich erfunden (April, April!). Aber umgehängt wird alles allwöchentlich. Nur halt völlig unspektakulär. Auf die recht bescheidenen Bilder allein könnte die Welt ja durchaus verzichten. Doch Alexander Wolff schafft für sie diverse Hintergründe, von der dezenten Tapete bis zu Badezimmerfliesen, und weiß wirklich, wie man sich in einen Ort einfühlt. Etwa mit dem Besen. Kehrt den Dreck vom Boden auf und pickt ihn an die Wand. Ein originell konzeptuelles Gesamtkunstwerk.

Chaos ist ein Ornament

Aufzählung (cai)Was Adriana Czernin tut, liegt irgendwo zwischen dem Einfädeln von einem Schuhband und dem Knüpfen des Gordischen Knotens (aber näher am Knoten). Sie fädelt nämlich ein Seil chaotisch in ein komplexes Gitter ein. Oder verknäuelt ein paar Schlangen. Gut, nur auf dem Papier. Mit unwiderstehlicher, zwangsneurotischer Disziplin. Fasziniert schreitet man von Blatt zu Blatt, doch irgendwann schleicht sich denn doch eine leichte Ermüdung ein. Die Irritation, dass die Dinge gern einen "Schatten" werfen, mit dem was nicht stimmt (das ist so wie wenn man auf dem Berg "Hallo" schreit und das Echo "Aloha" zurückrufen tät’), hält einen aber eh noch ein bissl wach.

Galerie Steinek

(Eschenbachgasse 4) Michaela Spiegel Bis 30. April Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr Sa.: 11 – 15 Uhr

Galerie Mezzanin

(Getreidemarkt 14) Alexander Wolff Bis 25. April Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr Sa.: 11 – 15 Uhr

Galerie Martin Janda

(Eschenbachgasse 11) Adriana Czernin Bis 30. April Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr Sa.: 11 – 15 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 01. April 2009

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