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23.11.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Galerien in Wien: Da trägt das Model einen Babykopf
Zum aktuellen Monat der Fotografie graben die Galerien Experimentelles aus.

Zur Kamera griff sie bereits im Alter von 17, um sich im Badezimmerspiegel festzuhalten, das eigene Bild und das Spiel mit der Identität stehen im Mittelpunkt ihres Frühwerks. In der Galerie Winter wird Birgit Jürgenssen (1949-2003) jetzt mit einer längst überfälligen Schau aus ihrem Nachlass gewürdigt. Am Beginn der Schau stehen die bezaubernden Selbstporträts "mit Fellchen", die aus der Künstlerin ein füchsisches Fabelwesen machen. Mal stark, mal schwach erfindet sich Jürgenssen Frauenbilder. Etwa die "Gladiatorin", die einen fotografischen Männerakt auf dem nackten Rücken trägt, oder das sehnsuchtsvolle Mauerblümchen, das an eine Glasscheibe gedrückt "Ich möchte hier raus" verkündet.

Für den aktuellen Monat der Fotografie haben aber auch noch andere Wiener Galerien experimentelle Arbeiten ausgegraben. Die Galerie Hofstätter führt mit der Ausstellung "dreaming doll - magic doll" zurück in die Sechzigerjahre, als Marc Adrian den weiblichen Körper im Visier hatte. In Fotomontagen halbiert und zerstückelt der 1930 geborene Künstler nackte Frauenleiber und lässt sie meist kopflos in Spiegelungen wiedererstehen. Die Darstellungen erinnern an die extremen Körperstudien des Surrealisten Hans Bellmer, der Frauen- und Puppenleiber verschnürt oder fragmentiert festhielt. Die so behandelten Akte sehen wie frühzeitliche Götterstatuen oder expressionistische Architektur aus.

Das Leopold Museum hat im Vorjahr dem 1983 verstorbenen Karl Anton Fleck eine Ausstellung gewidmet. Eine dort ausgesparte fotografische Werkgruppe des Malers und Grafikers stellt jetzt die Galerie Chobot vor. Zwischen 1965 und 1969 blendete Fleck mittels mehrerer Projektoren Filmbilder übereinander und fotografierte sie. Die reizvollen Ergebnisse (840 bis 1100 €) paraphrasieren humorvoll Sujets aus Werbung, Hollywood und dem modernen Leben. Da trägt ein Model plötzlich einen Babykopf auf dem Minirock, oder ein Liebespaar wird mit Überblendungen in Richtung Hitchcock gerückt. Leicht gruselig wirken Flecks gelungene Montagen, wenn er sich über Gesichter hermacht, Körperkonturen auflöst. Nicole Scheyerer

Jürgenssen: Galerie Winter, bis 13. 1. 07, Breite Gasse 17, Wien 7.; Fleck: Galerie Chobot, bis 23. 12. 06, Domg. 6, Wien 1; Adrian: Galerie Hofstätter, bis 23. 12. 06, Bräunerstr. 7, Wien 1.

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