T-B A 21 Space in progress präsentiert mit "Deseos
fluidos" Künstler aus Brasilien und Kuba
In sinnlichen Wunschwelten
|
Bunt und
fröhlich: Ramos’ Video-Installation "The Uncertain Road". Mattress
Factory |
Von Brigitte
Borchhardt-Birbaumer
Der ehrwürdig barocke Bau und der Name der
Vorsitzenden lassen eher Traditionelles erwarten – doch Francesca von
Habsburg hat sich als Vorsitzende der Thyssen-Bornemisza Art Contemporary
(T-B A 21) ganz der Kunst der Gegenwart verschrieben. In ihrem Space in
progress und am Dachboden des Hauses Himmelpfortgasse 13 in Wiens
Innenstadt zeigt sie junge kubanische und brasilianische Kunst.
Außer vielleicht Ernesto Neto alles Namen, die nicht einmal von Ferne
in Österreich bekannt sind: er, Iran do Espirito Santo und Rivane
Neuenschwander sind aus Brasilien, die Gruppe Los Carpinteros (Die
Zimmerleute) und Sandra Ramos aus Kuba.
Alle vermitteln ein hohes Maß an Lebensfreude, positive kommunikative
Rituale und wenig Berührungsangst mit dem Schönen.
Statt europäischer Erinnerungskunst wird hier sinnlich, zum Teil auch
lustvoll witzig agiert: Rivane Neuenschwander hat die Flaggen der 250
Staaten der Welt auf verschieden große Bälle aus Gummi, Leder oder Plastik
übertragen. Kleine Länder werden groß, andere Nationen kleiner und mit
allen kann im Spiel eine neue Kartografie entworfen werden.
Kunst zum Mitnehmen
Dazu hat die Künstlerin in acht gelochte Reihen an den Wänden bunte
Wunschbänder gehängt: hier kann ausgetauscht werden. Man schreibt einen
neuen Wunsch auf einen Zettel, nimmt ein beschriftetes Band heraus und
steckt den Zettel in das Loch. Alte Wallfahrtstradition ist dabei auch das
Binden des Wunschbandes um den Arm. Der Nebeneffekt ist die Kunst zum
Mitnehmen.
Ernesto Netos "Humanoides", männlich oder weiblich gekennzeichnet, sind
zum Umhängen und Draufsetzen gedacht: weiche Skulpturen aus schönen hellen
Stoffen, mit leichten Styroporkügelchen gefüllt.
Ähnlichkeiten gibt es entfernt mit den Surrealistinnen Dorothea Tanning
und Louise Bourgeois. Rosa, hellblau und weiß sind auch die vielfältig
erotischen Hängeskulpturen aus Lycra (auch mit Reiskörnern gefüllt) in
vielen dehnbaren Größen, die den barocken Dachboden bevölkern. Dekoration
wird hier zur sinnlich humorvollen Fruchtbarkeitssymbolik.
Goldfische als Boten
Los Carpinteros verwandeln selbst die erschreckende Grundform eines
Kriegsschiffes in ein gekacheltes Wasserbecken; die darin vermissten
Goldfische ziehen in einem Video der Neuenschwander an der Wand dahinter
einzelne Worte eines Liebesbriefs an Schnüren hinter sich her.
Zur vollkommenen Kunstmeditation wird der abgedunkelte, mit weichen
Samtmaterialien ausgelegte Raum von Sandra Ramos: liegend oder sitzend
erblickt man einen Sternenhimmel, der jedoch auch von den blutigen
Ereignissen der spanischen Kolonisationszeit unterbrochen wird.
Es ist eine zwiespältige Nacht am Ende der Schau "Deseos fluidos" mit
dem Untertitel "Brasilianische und kubanische Perspektiven zwischen
Wirklichkeit und Fantasie".
Mittwoch, 05. Oktober
2005