Zufallsergebnis oder geplante Vielfalt? | |
Den Originalbeitrag von Dieter Bogner zum Konzept des MuseumsQuartiers finden Sie in der aktuellen Ausgabe von architektur aktuell.
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Steckt hinter dieser schwer zu
überschauenden Fülle der inhaltlichen Angebote des Museumsquartiers
zielorientierte Planung oder handelt es sich um das chaotische Ergebnis
eines Zufallsprozesses? Aus der Sicht des bis 1994 für die Entwicklung des Konzepts
verantwortlichen Leiters der MuseumsQuartier Errichtungs- und
Betriebsgesellschaft ist die Antwort eindeutig: Eine 1989 entwickelte
Vision hat sich durchgesetzt und ist schrittweise Wirklichkeit geworden.
Nicht alles wurde erreicht, schmerzliche Lücken sind zu beklagen. Doch!
Für weitere Bauten ist Platz, oberirdisch ebenso wie unterirdisch! Was beibt von den Kritikern? Die Gegner des Projekts konnten sich mit ihrer Forderung nach
bedingungslosem Konservieren des Bestehenden nicht durchsetzen. Sie haben
aber - das ist eine traurige Tatsache - dem Projekt Schaden zugefügt, vor
allem dem urbanistischen und architektonischen Konzept von Ortner &
Ortner (Link auf Ortner & Ortner-Geschichte). Das vertikale Zeichen
des Medien- und Leseturms fiel diesen Diskussionen ebenso zum Opfer wie
das System unterirdischer Anlieferungen, wodurch das gesamte Hofareal
verkehrsfrei (!) geblieben wäre. Hochwertige kulturelle Werte haben die
Gegner durch ihre Aktionen weder erhalten noch geschaffen. Flache Hierarchie Überraschend ist, dass im Laufe der inzwischen schon legendär
gewordenen Auseinandersetzungen über das Architekturprojekt, die
inhaltliche Komponente, die Besiedlungsphilosophie des MuseumsQuartiers,
wenig diskutiert und kaum angetastet wurde. Die wichtigste Qualität liegt
in der geplanten Komplexität und im Kontrastreichtum eines kulturellen
Beziehungsgeflechts, das seine Stärke und Aktualität aus der Verknüpfung
von nur zwei großen Museen - Museum moderner Kunst und Leopold Museum -
mit einer Vielzahl mittlerer und kleiner typologisch höchst
unterschiedlicher kultureller Einrichtungen und Initiativen mit
zeitgenössischer Orientierung bezieht. Mit dieser Besiedlungsphilosophie setzt das MuseumsQuartier einer
traditionellen vertikalen Entscheidungsstruktur und zentralistischen
Steuerung die Idee einer durch Unübersichtlichkeit geprägten losen
"Konföderation" mit flacher Hierarchie entgegen. In diesem Anspruch liegt
die für die Zukunftsentwicklung entscheidende, weltweit wohl einzigartige
Qualität des MuseumsQuartiers. Shopping City Kultur Der Gesamtkomplex MuseumsQuartier ist damit einer Shopping City
verwandter als traditionellen Kulturzentren. Dieser Vergleich sorgt - weil
fälschlicherweise inhaltlich und nicht wie gemeint strukturell verstanden
- laufend für große Erregung in der Kulturszene. Der beabsichtigte Vorteil
dieses Konzepts liegt im Erschweren des politischen Zugriffs auf die
Gesamtheit der Nutzer bzw. einer Machtaneignung durch einen
"Generaldirektor". Damit soll - soweit dies unter den gegebenen Umständen in Österreich
überhaupt möglich ist - ein pluralistisches, demokratischeres System
erreicht werden, das im Gegensatz zu Entwicklungen in der Wiener
Museumsszene steht. Denn bestimmt dort nicht derzeit eher das Recht des
Stärkeren das Geschehen, d.h. ein mehr oder weniger freundliches
Übernehmen kleinerer Einheiten, ein offensives Erweitern des jeweiligen
Einfluss- und Machtbereiches, ein Übertrumpfen der Konkurrenten? Dieter Bogner ist von 1990-94 als Geschäftsführer der
Museumsquartier Errichtungs- und Betriebsgesellschaft für die
kulturpolitische und inhaltliche Entwicklung des Projekts
verantwortlich. Den Originalbeitrag von Dieter Bogner, der auch eine
ausführliche Chronologie der Errichtung des Museumsquartiers enthält,
finden Sie in der aktuellen Ausgabe von architektur aktuell. | ||