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Mit einer "Ausstellung von Aus stellungen" wollte Francesco Bonami die
50. Biennale zu einem Höhepunkt führen. Die größte Schau sollte es sein,
jedenfalls hat sie eindeutig die meisten Kuratoren. Zehn
Gruppenausstellungen, die fast 300 Künstler aufsaugen. Bespielt werden das
Museo Correr, der Italienische Pavillon in den Giardini, das Arsenal. Und
alles soll sich unter dem Motto "Dreams and Conflicts. The Dictatorship of
the Viewer" zusammenfügen. Das Gegenteil passiert: Die Raumfluchten des
Arsenals, 2001 spektakuläre Spielwiese für Harald Szeemann, zerfleddern in
unzusammenhängende, einander konkurrierende Einzelteile. Schon der Eingang
ist derart beiläufig an eine Seitenfront verlegt worden, dass man wie
zufällig in eine angeblich interaktive Installation stolpert.
Undankbarer Auftakt der Abteilung "Clandestine", in der
Bonami seine "Geheimtipps" zeigt: So uncharmante, fast muffige
Präsentation untergräbt jede Euphorie des Entdeckens. Kojen wurden
eingezogen, Trennwände unmotiviert in die eindrucksvolle dreischiffige
Backstein-Halle geschoben. Profitiert hat von dieser Kleinteiligkeit der
optisch vorgetäuschte Korridor der Polin Monika Sosnowska, der so mit
einem alten Trick noch überraschen konnte.
Im Gedächtnis bleiben auch ein Kleinkind, das mit einem
anthropomorphen Mantel zum Zwitter Mensch-Frosch mutiert (Hannah Greely),
und die nüchternen bestickten Großformate des Italieners Enrico David, die
geschickt zwischen Kunst und Handwerk pendeln. Und schon die nächste
Teilausstellung: "Fault Lines", zeitgenössische Afrikanische Kunst,
Kurator Gilane Tawadros. Hier kommt endlich ein wenig Leidenschaft auf.
Eine Schaufensterpuppe steht vor einem roten Automaten und überlegt sich,
ob sie sich einen US-Pass oder doch eine goldene Visa-Karte ziehen soll.
Ins Zentrum hat der Ägypter Wael Shawky eine düstere Miniaturstadt aus
Asphalt gebaut, sinnlich umlagert von der Fotoserie "Kommunion" von Rotimi
Fani Kayode.
Aus mit Sinnlichkeit, her mit Ordnung: Igor Zabel spürte
Künstler mit "individuellen Systemen" auf. Darunter zwei Österreicher:
Josef Dabernig mit seinen rationalen Utopien und Florian Pumhösl, der
Analyst von Moderne und Design. Eine strenge Schau, die praktisch ohne
Farbe auskommt und doch unterhält. So hat der Kroate Mladen Stilinovic ein
englisches Wörterbuch auf Ausdrücke untersucht, die ihn schmerzen. PAIN
schreibt er neben sie, von Aa über art bis zucchini. Alle anderen Wörter
übertüncht er weiß und bezieht sich auf Wittgenstein. Sehr nett, nur
gleich danach dröhnt der schwellende Overkill, der Höhepunkt im Arsenal:
die "Zone of Urgency". Ein brechend voller, chaotischer Ort, ein Jahrmarkt
hauptsächlich asiatischer Kunst.
Vor lauter Schauen merkt man gar nicht die inszenierten
Wege, denen man folgt, eine Rampe hinauf, in ein Zwischengeschoß, hinunter
in ein Dickicht lebhafter Seitengassen. Ein riesiges Kuh-Totem versperrt
den Weg, daneben ein silbernes Geländeauto, die Persiflage eines
klassischen Ehrendenkmals, dann sitzt man in einem bieder-verstaubten
Wohnzimmer vor einem Fernseher, auf dem einem ein Dokumentarfilm einreden
will, dass Österreich einmal eine Kolonie von Malaysien war! Eine
sarkastisch-fantastische Installation von Wong Hoy Cheong. Irgendwo düdelt
nervig der Donauwalzer, Marschmusik dröhnt, und in der "Zone" fallen auch
ein paar Schüsse.
Indessen warten Franz West, Markus Schinwald und Florian
Pumhösl in der "Utopia Station", wo 160 Künstler auf engstem Raum Plakate,
Projekte, Design zeigen. Hier zerfranst sich jedes Konzept, aber es ist
lustig wie ein Jungscharlager, Bastel-Atmosphäre, Hüttchen, gezimmerte
Kojen, überladene Tische, alles zugekleistert. Der Betrachter will hier
endgültig nicht mehr Diktator sein: Er ist gestürzt, der Kurator auch, und
die Kunst feiert wieder Anarchie.
© Die Presse | Wien
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