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Kunstberichte
Oberes Belvedere: Die neue Reihe "Meisterwerke im Fokus" zeigt "Lovis Corinth – Ein Fest der Malerei"

Bewegter Pinsel im halben Sehfeld

"Der Herzogstand am Walchensee im Schnee" (1922): Lovis Corinth, wie man ihn kaum kennt. Foto: Belvedere

"Der Herzogstand am Walchensee im Schnee" (1922): Lovis Corinth, wie man ihn kaum kennt. Foto: Belvedere

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Das Belvedere besitzt dank der Ankäufe der Direktoren Franz Martin Haberditzl und Bruno Grimschitz elf Gemälde und eine Radierung von Franz Heinrich Louis Corinth (1858–1925), der sich seit 1888 Lovis Corinth nannte. Grimschitz rettete den Verfemten nicht nur über die Naziära, er kaufte auch weiter Bilder an.

Die neue Ausstellungsserie "Meisterwerke im Fokus" ist dem deutschen Künstler mit seinem geradezu barock-sinnlichen Schaffen unter dem Titel "Ein Fest für die Malerei" gewidmet und in die Schausammlung des Oberen Belvedere im ersten Stock als Ovalraum – eine Intervention durch den Architekten Johannes Melbinger – integriert.

Den Bestand des Belvederes ergänzt für die Schau das Porträt des Kunsthändlers Wolfgang Gurlitt von 1917 aus Linz und ein Bleistift-Selbstbildnis der Albertina, das aus der Zeit nach Corinths Schlaganfall stammt.

Dieses Selbstbildnis bringt Neues aus der Forschung ein. Durch die linksseitige Lähmung hatte sich nach 1911 das Gesichtsfeld des Künstlers eingeschränkt, und seine Strichführung war durch starkes Zittern der Hand beeinträchtigt.

Die Krankheit führt den Pinsel

Statt zu verzagen, nahm Corinth die Krankheitsfolgen als Herausforderung für seine sinnliche und der Wirklichkeit stark verpflichtete Malerei an. Die Wendung zum Expressiven im letzten Jahrzehnt, die bisher seinem Temperament zugeschrieben wurde, geht also mehr auf diese Schwächen zurück. Eine Tatsache, der man in den letzten Jahrzehnten noch nicht nachgegangen wäre, da das Beiwort "krank" mit zur Verfemung der Moderne durch die Nationalsozialisten gehörte. Kurator Stephan Koja hat jedoch, wie schon bei anderen Projekten, die Naturwissenschaften in die Kunstgeschichte einbezogen und eine ärztliche Analyse von Corinths Zustand erstellen lassen.

Corinths in lockerer Pinselschrift gestalteten späten Landschaften am Walchensee, seine Blumenbilder und psychologisch beeindruckenden Porträts zeigen tatsächlich einen Stilbruch gegenüber den in einer Art Salonmalerei gestalteten Allegorien oder den realistischen Akten und geschlachteten Ochsen früherer Jahre. Das hat man bisher mehr dem Anpassungstalent des gewieften Strategen und in der Kunstpolitik aktiven mehrmaligen Präsidenten der Berliner Secession zugeschrieben.

Aus Ostpreußen stammend, hatte Corinth in München bei Franz Defregger und später in Paris an der Académie Julien studiert. Mit Walter Leistikow wanderte er von Königsberg über München schließlich nach Berlin aus, arbeite mit dem Theatermacher Max Reinhardt und dem Galeristen Paul Cassirer oder mit Kunsthistorikern wie Herbert Eulenberg, von dem das Belvedere ein Porträt besitzt. Corinth gründete eine Malschule und heiratete seine Schülerin Charlotte Berend; sie taucht immer wieder als Lieblingsmodell auf – zuweilen an Paare Rembrandts oder Eugen Delacroix’ erinnernd.

Aufzählung Ausstellung

Lovis Corinth.

Ein Fest der Malerei Stephan Koja (Kurator) Oberes Belvedere Zu sehen bis 19. Juli

Printausgabe vom Mittwoch, 25. März 2009

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