In Pose geworfen, Photoshop-retuschiert, appetitlich präsentiert wie
Kardinalschnitten bei der „Aida“: So sehen wir sie täglich, die
unerreichbaren Filmstars in den Lifestylezeitschriften, die
millionenschweren Supermodels auf den Plakaten, die ultracoolen Popsänger
auf den Plattencovern. Und irgendwie wollen wir dann auch so sein: Allem
Irdischem entrückt, weit entfernt von Arbeit und Akne, unverletzlich und
souverän.
Diesem platten Klischee von Heroen ohne Makel setzt die amerikanische
Photographin Peggy Sirota andere, wenn auch nicht minder inszenierte
Bilder entgegen. So etwa Janet Jackson in einem Müllsack statt in sexy
High Heels. Den Rapper MC Solaar mit gelbem Plastikhintern statt in
Machopose. Oder Modeguru Christian Lacroix mit einem bescheuerten
Smiley-Hütchen. Und so weiter. Die Motivation dahinter? Sicher nicht, die
willigen Objekte mit Hilfe der Kamera der Lächerlichkeit preiszugeben.
„Wenn ich photographiere, dann ermutige ich die Leute dazu, etwas
anderes zu machen, locker zu lassen, irgendetwas nur aus Spaß zu tun“, so
Sirota. „Denn dann sind sie, wenn auch nur für kurze Zeit, frei von ihrer
Berühmtheit.“ Erst dann könnten sie ihre Posen aufgeben, etwas anderes –
Verletzliches, Komisches, Menschliches – zu zeigen.
Daß sich Sirota dabei der Verkleidung bedient, ist ein einfacher, aber
effizienter Trick, sagt doch eine Verkleidung über die Person mitunter
mehr aus als die übliche Montur. Wie es zur endgültigen Szene kommt,
darüber darf der Betrachter natürlich spekulieren. Wie es dazu kam, daß
sich John McEnroe ausgerechnet eine Hühnermaske aufsetzte? Eine
Leidenschaft des Tennisgenies oder ein spontaner Einfall der Photographin?
Oder warum posiert Pamela Anderson ausgerechnet mit Brille, Bart,
buschigen Augenbrauen und Zigarre?
Auch Spaß muß sein
Das Betrachten der Bilder wäre jedenfalls noch um einiges
interessanter, würde man die Geschichten kennen, wie es zu den
Arrangements gekommen ist. „Einige dieser Porträts wurden in nur zehn
Minuten gemacht“, erklärt die Künstlerin. „Andere wiederum haben mehr als
eine halbe Stunde gedauert. In vielen Fällen haben wir einfach gelacht,
für den Moment gelebt und gesagt: ,Ja, machen wir das!’“.
Daß der Betrachter die Abgebildeten oft nur schwer oder gar nicht
erkennt, ist kalkuliert. Die Stars werden dadurch – um mit Karl Kraus zu
sprechen – bis zur Kenntlichkeit entstellt. Und um es dem Betrachter noch
schwerer zu machen, mixt Sirota die Buchstaben der Namen der Porträtierten
durcheinander. Wer ist Ajuil Borters und Ntai Rretun? Kommt einem das
nicht irgendwie bekannt vor?
Die rund 95 Werke, die nun erstmals in Österreich (und zwar im
„westLicht“) gezeigt werden, entstammen einem Zyklus zugunsten des „Aids
Project Los Angeles“. Sirota, die Autodidaktin, die seit 1984 für „Rolling
Stone“ und „Vanity Fair“ ebenso photographiert hat wie für Adidas oder
Coca-Cola, unterstreicht damit eindrucksvoll ihre Bedeutung als kreative
Chronistin der Glamour-Welt und subtile Arrangeurin entlarvender Szenen.
Dem eigenen Ruhm kann die Photographin angeblich wenig abgewinnen. Und
im wuchtigen „Guess Who“-Band ist kein einziges Photo der Künstlerin zu
finden. Guess why?
Peggy Sirota. Guess Who: Ausstellung von 30. April bis
2. Juni 2002 im „westLicht“, Westbahnstrasse 40, 1070 Wien. Infos: http://www.westlicht.com/ oder Tel:
01/522 66 36
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