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26.04.2002 - Ausstellung
Die Maskenbildnerin
Glamouröse Photographien von Stars aus Film, Sport und Pop kennen wir zur Genüge. Umso vergnüglicher und bemerkenswerter sind die Bilder der Amerikanerin Peggy Sirota, die nun erstmals in Österreich zu sehen sind.
von Peter Stuiber


In Pose geworfen, Photoshop-retuschiert, appetitlich präsentiert wie Kardinalschnitten bei der „Aida“: So sehen wir sie täglich, die unerreichbaren Filmstars in den Lifestylezeitschriften, die millionenschweren Supermodels auf den Plakaten, die ultracoolen Popsänger auf den Plattencovern. Und irgendwie wollen wir dann auch so sein: Allem Irdischem entrückt, weit entfernt von Arbeit und Akne, unverletzlich und souverän.

Diesem platten Klischee von Heroen ohne Makel setzt die amerikanische Photographin Peggy Sirota andere, wenn auch nicht minder inszenierte Bilder entgegen. So etwa Janet Jackson in einem Müllsack statt in sexy High Heels. Den Rapper MC Solaar mit gelbem Plastikhintern statt in Machopose. Oder Modeguru Christian Lacroix mit einem bescheuerten Smiley-Hütchen. Und so weiter. Die Motivation dahinter? Sicher nicht, die willigen Objekte mit Hilfe der Kamera der Lächerlichkeit preiszugeben.

„Wenn ich photographiere, dann ermutige ich die Leute dazu, etwas anderes zu machen, locker zu lassen, irgendetwas nur aus Spaß zu tun“, so Sirota. „Denn dann sind sie, wenn auch nur für kurze Zeit, frei von ihrer Berühmtheit.“ Erst dann könnten sie ihre Posen aufgeben, etwas anderes – Verletzliches, Komisches, Menschliches – zu zeigen.

Daß sich Sirota dabei der Verkleidung bedient, ist ein einfacher, aber effizienter Trick, sagt doch eine Verkleidung über die Person mitunter mehr aus als die übliche Montur. Wie es zur endgültigen Szene kommt, darüber darf der Betrachter natürlich spekulieren. Wie es dazu kam, daß sich John McEnroe ausgerechnet eine Hühnermaske aufsetzte? Eine Leidenschaft des Tennisgenies oder ein spontaner Einfall der Photographin? Oder warum posiert Pamela Anderson ausgerechnet mit Brille, Bart, buschigen Augenbrauen und Zigarre?

Auch Spaß muß sein

Das Betrachten der Bilder wäre jedenfalls noch um einiges interessanter, würde man die Geschichten kennen, wie es zu den Arrangements gekommen ist. „Einige dieser Porträts wurden in nur zehn Minuten gemacht“, erklärt die Künstlerin. „Andere wiederum haben mehr als eine halbe Stunde gedauert. In vielen Fällen haben wir einfach gelacht, für den Moment gelebt und gesagt: ,Ja, machen wir das!’“.

Daß der Betrachter die Abgebildeten oft nur schwer oder gar nicht erkennt, ist kalkuliert. Die Stars werden dadurch – um mit Karl Kraus zu sprechen – bis zur Kenntlichkeit entstellt. Und um es dem Betrachter noch schwerer zu machen, mixt Sirota die Buchstaben der Namen der Porträtierten durcheinander. Wer ist Ajuil Borters und Ntai Rretun? Kommt einem das nicht irgendwie bekannt vor?

Die rund 95 Werke, die nun erstmals in Österreich (und zwar im „westLicht“) gezeigt werden, entstammen einem Zyklus zugunsten des „Aids Project Los Angeles“. Sirota, die Autodidaktin, die seit 1984 für „Rolling Stone“ und „Vanity Fair“ ebenso photographiert hat wie für Adidas oder Coca-Cola, unterstreicht damit eindrucksvoll ihre Bedeutung als kreative Chronistin der Glamour-Welt und subtile Arrangeurin entlarvender Szenen.

Dem eigenen Ruhm kann die Photographin angeblich wenig abgewinnen. Und im wuchtigen „Guess Who“-Band ist kein einziges Photo der Künstlerin zu finden. Guess why?

Peggy Sirota. Guess Who: Ausstellung von 30. April bis 2. Juni 2002 im „westLicht“, Westbahnstrasse 40, 1070 Wien. Infos: http://www.westlicht.com/ oder Tel: 01/522 66 36



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