Eleganter Slapstick im Raum-Labyrinth
Porträt. Der aus Salzburg stammende Markus Schinwald gestaltet heuer den Österreich-Pavillon auf der Kunstbiennale in Venedig.
MARTIN BEHR WIEN (SN). Seit einigen Wochen ist er Pendler. Zwischen Wien und Venedig. In der Lagunenstadt beobachtet Markus Schinwald den Baufortschritt im Österreich-Pavillon, den der 38-jährige Künstler heuer bespielt, in Österreich schneidet und vertont er Videos, die extra für die kommende Woche beginnende 54. Kunstbiennale angefertigt wurden. Die Nominierung für die Weltkunstschau durch die heimische Kommissärin Eva Schlegel hat ihn gefreut, den Wert der Teilnahme sieht er nüchtern: „International ist die Resonanz kleiner als jene in Österreich.“MacGyver statt Godard Kein verbaler Kniefall ob der ach so großen Ehre, keine übertriebenen Erwartungen in Sachen Karriereschub nach Ende der Biennale, die heuer unter dem Motto „ILLUMInazioni – ILLUMInations“ steht und am 4. Juni offiziell eröffnet wird. Schinwalds Haltung ist typisch für einen Repräsentanten der jüngeren Künstlergeneration. „Venedig war für mich nie das große Ziel, es ist keine Olympiade der Kunst“, sagt der gebürtige Salzburger, dessen Inspirationsquellen meist im Alltag („MacGyver ist mir näher als Godard“) verortet sind. Er, der sich vorwiegend in den Medien Performance, Film, Skulptur, Malerei und Installation bewegt, hat sich auf leisen Sohlen zu einem gefragten Mitspieler im internationalen Betriebssystem Kunst hochgearbeitet. Die Qualität seiner Arbeit ist es, die überzeugt, in Sachen Selbstdarstellung und Netzwerkknüpfen sind andere ihm voraus. An der Schnittstelle von Bekleidung, Traum, Surrealismus, Realismus, Körper, Raum, Bedrohlichkeit und Irrationalität gelingen Schinwald Arbeiten, die sich dem oberflächlichen Blick nur schwer erschließen.
Für den von Josef Hoffmann errichteten Österreich-Pavillon hat Schinwald, der an der Hochschule für Gestaltung in Linz und der Humboldt-Universität in Berlin studierte, architektonische Veränderungen konzipiert. Ein zweiter Grundriss wird eingezogen, situiert in rund einem Meter Höhe. Darauf basiert ein korridorartiges Labyrinth, in dem Besucher auf die schinwaldschen Markenzeichen stoßen werden: übermalte Gemälde aus Flohmarktbeständen etwa, auf denen menschliche Körper seltsame Veränderungen aufweisen. Objekte, geformt aus Tischbeinen. Auch eigentümliche Prothesen werden eine Rolle spielen, Filme haben das Potenzial zur Irritation. Lädt Schinwald das Biennalepublikum in einen Parcours der mysteriösen Ahnungen? Eine Monsteraufgabe „Ich glaube, dass die Arbeit weniger unheimlich als von mir gewohnt ist. Ich würde sagen: eleganter Slapstick statt gruseliger Grundstimmung. Die Installation ist fast schon romantisch.“ Auf performative Liveelemente verzichtet Schinwald, wohl aber werden die Besucher in dem zerlegten Innenraum zu Akteuren. Die Neugestaltung des Pavillons sei eine Monsteraufgabe gewesen, räumt der Künstler ein. Aber sie sei absolut notwendig gewesen: „Die Dimensionen vor Ort waren für mich schwierig, der Raum viel zu groß, zu klar strukturiert.“ So habe er mit der Architektur zu arbeiten begonnen, wie ein Frisör sich mit einer Person auseinandersetze. Mitunter vergleicht Schinwald seine Arbeitsweise auch mit der eines DJ, der aus bestehenden Tonträgern etwas Neues generieren kann. Dabei schöpft der Künstler aus dem Vollen, die Ausgangsmaterialien können aus der Hoch- oder aus der Populärkultur stammen.
Wie Schinwald zum Nationalitätenwettkampf auf der Kunstbiennale steht? „Auf das alles pfeife ich total“, sagt er, der das an den Song Contest erinnernde Spielchen „so gut wie ignorieren“ will. Sein Ziel sei es auch nicht, einen Preis für Österreich zu gewinnen, sondern eine „möglichst gute Ausstellung“ zu realisieren. Der in den USA und Österreich lebende Künstler spielt in seiner Kunst mit dem Unbewussten. Eines seiner Lieblingsthemen ist der unter Zwang geratene menschliche Körper. Egal ob durch Riesenpuppen und Marionetten oder durch manipulierte Gemälde visualisiert: Irgendwo zwischen Franz Kafka und David Lynch angesiedelt, stimmt er sein Loblied an die Unvollkommenheit an.