Irritation im Vertrauten
MARTIN BEHRGRAZ (SN). Das an sich Vertraute entpuppt sich als Irritation: Warum wird der Papagei wie ein Raubvogel vorgeführt? Ein Schnappschuss aus einem Zoo oder ein streng inszeniertes Bild, das Fragen zu den Möglichkeiten fotografischer Abbildung aufwirft?
Die Arbeit „Turning into a Parrot“ ist symptomatisch für die Arbeitsweise der 34-jährigen deutschen Fotografin Annette Kelm: Sachlichkeit, aber (fast) immer mit einem doppelten Boden.
Sie zappt lustvoll zwischen den Genres der Fotografie, zitiert Produktfotos, arbeitet mit Stillleben und Reproästhetik, hantiert auch mit Landschafts- und Architekturaufnahmen. Die Camera Austria im Grazer Kunsthaus zeigt derzeit eine Auswahl aus Kelms Werk der vergangenen zehn Jahre. Viel Rätselhaftigkeit: Hier ein Stillleben mit Fototheoriebuch und Kürbis, da ein verkohltes Stück Holz im Kamin. Hier fotografierte Stoffmuster, die von einem Interesse am Ornament künden, da ein Abbild der ersten E-Gitarre, allerdings wieder vor einem einigermaßen verstörenden Hintergrund. Alle Fotografien von Annette Kelm sind formal präzise und klar, aber doch nicht eindeutig lesbar. Realistisch und doch der Konvention entrückt. „Es ist ein Spiel, die Strategien ständig zu verändern“, erklärt die Fotografin, die nicht an die Existenz einer „neutralen Darstellung“ glaubt.
Kuratorin Maren Lübbke-Tidow charakterisiert die Kunst von Kelm als eine „unsachliche Sachlichkeit“.
Diese hat im Bestreben, das Banale mit Referenzen aufzuladen und diese Anspielungen hinter dem Sichtbaren zu verbergen, ihre Wurzeln. Egal, ob im Einzelbild, oder in der Serie: Annette Kelms Inszenierungen sind trickreiche, auch witzige Argumente, dem Gesehenen nicht zu vertrauen.
Entdecken, verdecken: Es ist ein feinsinniges, eigensinniges, fast anarchistisches Flair, das diese Ausstellung verströmt. Eine Fotokünstlerin stellt auch ihr Medium selbst infrage. Nicht neu, aber in dieser Weise durchaus legitim. (Bis 13. 9.)