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vom 10.02.2007 - Seite 031
Erbschaftsangelegenheiten und sonstige Fragen

Jahrelang zeigte sich das von Gustav Klimt geschaffene, dekorativ golddurchwirkte Porträt der Adele Bloch-Bauer auf Postern, Ansichtskarten, Kaffeetassen oder Kaffeedosen - und natürlich auch in der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien. Plötzlich aber sorgte es für Schlagzeilen, der Slogan "Ade Adele" machte die Runde, und wenige Monate später verließ das Gemälde Österreich.

Wiederum kurze Zeit später wurde es nochmals groß auf den Titelseiten der Zeitungen gezeigt - als (kurzzeitig) teuerstes verkauftes Kunstwerk der Welt.

Und jetzt ist es weg, so wie einige andere Klimt-Gemälde auch. Adele und Co sind nicht mehr länger Teil einer öffentlichkeitswirksamen Inszenierung "unseres" kulturellen Erbes. Nicht nur die kulturelle, auch die wirtschaftliche Bewertung dieser Vorgänge ist immerhin so hoch, dass sie massiven Einfluss auf die Handelsbilanz zwischen Österreich und den USA im Jahr 2006 genommen hat.

Was bleibt in einer Nachbetrachtung dieser Schlagzeilen: Neben dem Bewusstsein, dass noch viele Fragen der Restitution zu klären sind, wohl vor allem die Grundfrage: Wer kümmert sich um das kulturelle Erbe, wer ist dafür zuständig? Ist es die öffentliche Hand allein, und wenn ja, welche Körperschaft im Speziellen: die Republik, die Länder, die Gemeinden?

Sind es die großen Wirtschaftsbetriebe, die hier Verantwortung zu tragen haben, oder ist es die Gemeinschaft der Kleineren? Ist vielleicht jede Österreicherin und jeder Österreicher selbst mit dem Privatbudget gefragt?

Der Fall Adele hat hier vieles grundsätzlich in Frage gestellt und damit auch in Bewegung gebracht. Der zentrale Ort, um den diese Fragen kreisen, ist die Institution Museum. Museen stehen für das kulturelle Erbe einer Gemeinschaft, Museen sind öffentliche Institutionen und daher auch der Ort öffentlicher Diskussionen.

Dort wird das kulturelle Erbe einer Gemeinschaft gesammelt, bewahrt, erforscht, ausgestellt und vermittelt. Und nicht zuletzt aus der jeweiligen Gegenwart heraus lebendig diskutiert!

"Der Fall Adele hinterlässt die Grundfrage, die zu klären ist: Wer kümmert sich um unser kulturelles Erbe?"

von Peter Assmann

Direktor der Oberösterreichischen Landesmuseen

STICHWORT

"StreitKULTUR"

Die OÖN und die Oberösterreichischen Landesmuseen laden zur neuen Diskussionsreihe "StreitKULTUR" ein, die sich mit Fragen rund um die Funktionen der Museen, mit Kunst und Kultur beschäftigt. Die erste Veranstaltung findet am Freitag, 16. Februar, 18 Uhr zum Thema "Ade Adele! Wer schützt unser kulturelles Erbe?" mit Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl, Landeskonservator Wilfried Lipp, Galerieleiter Thomas Mark und Museumsdirektor Peter Assman im Festsaal der Landesgalerie Linz, Museumstraße 14, statt. Der Eintritt ist frei!


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