text breit  text schmal  
drucken 

derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
01. Juni 2005
20:09 MESZ
Von
Colette M. Schmidt  
Manipulierte Bilder als historische Tapete
Was Fotos verschweigen oder zufällig erzählen, wurde im Grazer Kunsthaus erörtert

Die "Wirklichkeit", die hinter dem Zustandekommen oder der nachträglichen Manipulation eines Fotos steht, aber auch das, was Bilder verschweigen oder zufällig erzählen, wurde im Grazer Kunsthaus erörtert.


Graz - "Was erzählt uns diese Bilderflut über den NS-Terror?", fragt der Journalist und Kurator Joachim Riedl angesichts der vielen Fotos, die im Gedenkjahr 2005 vermehrt präsent sind. "Sind sie nicht nur eine historische Tapete, die einen Vorstellungsraum eröffnen soll, ihn aber verschließt?" Die Fotografie und ihr mitunter höchst problematisches Verhältnis zur Wirklichkeit stand im Mittelpunkt des neunten, vom STANDARD mitveranstalteten Jour fixe im Grazer Kunsthaus. Ein Thema, das gerade in Graz, wo die Camera Austria seit 30 Jahren eine differenzierte, künstlerische und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Fotografie pflegt, auf besonders großes Interesse stieß.

Christine Frisinghelli, Leiterin der Camera Austria, war eine der vier Stimmen am Podium, die von STANDARD-Chefredakteur Gerfried Sperl zu Wahrnehmungen, Manipulationen und dem Wesen der Fotografie in den Medien und der Kunst befragt wurden. Mit ihr machten sich auch der Direktor der Deichtorhallen Hamburg, Robert Fleck, dessen Haus kürzlich das Fotoarchiv des Spiegel als Dauerleihgabe bekam, und die Leiterin des im Vorjahr eröffneten Bild- und Tonarchivs am Landesmuseum Joanneum, Petra Ellermann-Minda, Gedanken über die Verantwortung und Funktion von Fotos.

Joachim Riedl erinnerte an die Geschichte zwischen Abbild und Wirklichkeit etwa in der Bibel, wo es heißt: "Du sollst dir kein Abbild machen von deinem Gott." Dieses Abbildungsverbot in der Religion habe im arabischen Raum in der Politik zu einem "geradezu orgiastischen Einsatz von Bildern geführt". Die am digitalen Foto leichtere Manipulation habe es, "weniger perfekt", schon immer gegeben.

Für Robert Fleck ist das "Geniale am Foto", dass "immer auch etwas aufgenommen wird, das nicht beabsichtigt war, eine Nebenbei-Dokumentation". So zeigen etwa feministische Fotoarbeiten Valie Exports auch viel von Wien in den 1960ern. Vom Bild- und Tonarchiv, das auch Amateurfotos aus der Bevölkerung als Beitrag zur Geschichte sammelt, ist Fleck begeistert: "So etwas ist ein wirklicher Schatz, ein Kulturdenkmal des 20. Jahrhunderts."
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.6.2005)


© 2005 derStandard.at - Alle Rechte vorbehalten.
Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf. Eine Weiterverwendung und Reproduktion über den persönlichen Gebrauch hinaus ist nicht gestattet.