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Kunstpflänzchen brauchen Pflege

Gerald Matt, der Leiter der Kunsthalle Wien, macht sich Gedanken über die Tiroler Kunstlandschaft

TT: Sie haben soeben den RLB-Kunstpreis mitjuriert. Was ist herausgekommen?

Matt: Das werde ich ganz bestimmt nicht verraten. Aber die Resonanz war jedenfalls gewaltig genauso wie die künstlerische Breite. Und ich glaube, wir sind zu einem interessanten Ergebnis gekommen. Der Preis an sich ist aber ein vorbildliches Signal einer Bank, die junge Kunst vor Ort zu fördern.

TT: Das widerspricht meinem subjektiven Eindruck, dass der qualitätvolle Künstlernachwuchs in Tirol versiegt.

Matt: Ja, gerade der RLB-Wettbewerb ist ein vitaler Beweis dafür, dass der kreative Nachwuchs da ist. Aber im Gegensatz zu vor 15 oder 20 Jahren bietet das Tiroler Kunstbiotop nicht wirklich gute Bedingungen, um die Blumen zum kraftvollen Blühen zu bringen, dass sie auch überregional wahrgenommen werden, wie dies vor Jahren etwa ein Kogler, ein Weinberger, eine Schlegel, ein Walde geschafft haben.

TT: Was wurde da in den vergangenen Jahren versäumt?

Matt: In den Achtzigern gab es eine lebendige, von Politik und öffentlicher Meinung unterstützte Galerienszene, engagierte Leute wie Ursula Krinzinger mit ganz klaren Visionen. Damals gab es eine Stimmung, die für die bildende Kunst gut war und auch eine Erwartungshaltung, dass diese Leistungen einmal belohnt werden. Baulich, institutionell und finanziell abgesichert werden. Und das ist nicht geschehen. Es wurde sozusagen vergessen, das zarte Kunstpflänzchen zu gießen und zu pflegen.

TT: Die Kunsthalle Tirol in Hall hat es allerdings schon gegeben. Sie wurde aber ein Flop.

Matt: Sie stand schlichtweg am falschen Ort. Zeitgenössische Kunst muss dort stattfinden, wo die potentiellen Besucher sind und die sind nicht in Hall. Und über Kollegen möchte ich mich nicht äußern.

TT: Was vermissen Sie in der derzeitigen Innsbrucker Museumslandschaft?

Matt: Vitale Impulse. Beim Landesmuseum glaubt man, mit einem Umbau sei die Sache getan. Hier wäre - um es vorsichtig zu sagen - eine Vitalisierung dringend notwendig.

TT: Und die Taxisgalerie?

Matt: Ihr Programm ist ambitioniert und spannend, künstlerisch aber sehr eng fokussiert. Und zwischen dem Museum, das sich noch als Ort des Bewahrens in einem sehr klassischen Sinn und nicht als Ort der Kommunikation versteht, und der fast ausschließlich auf neue Medien konzentrierten Taxisgalerie klafft eine Lücke.

TT: Und diese Lücke ist noch größer seit der Neupositionierung des Kunstraum geworden.

Matt: Der Kunstraum, wie er früher war, war sehr wichtig. Hier wurde der künstlerische Diskurs auf breiter Ebene geführt. Aber er war zu klein und er war zu halbherzig für eine Stadt wie Innsbruck.

TT: Was wird gebraucht?

Matt: Die Zeit wäre reif für eine Kulturoffensive. Es fehlt auch ein Zeichen. Und so ein Zeichen ist immer auch baulicher Art. Bregenz ist hier das beste Beispiel. Bregenz war früher nur für die sommerlichen Festspiele bekannt, durch das Kunsthaus ist Bregenz für Architekturfreaks und Kunstkenner zum Markenzeichen geworden.

TT: Innsbruck braucht also ein Haus der Kunst?

Matt: Unbedingt. Innsbruck hat in jeder Beziehung die besten Voraussetzungen. Schon durch seine geografische Lage, das kunstinteressierte Publikum, die Künstlerschaft, die Universität. Wenn so ein Haus gut gemacht wird, wird es hipp für breitere Bevölkerungskreise, sich mit Kunst zu befassen. Die Mischung zwischen Architektur, Kunst, Machern und Budget muss aber stimmen.

TT: Was sollte hier stattfinden?

Matt: Ich würde mir ein grenzüberschreitendes Programm zwischen Theater, Architektur, bildender Kunst und dem populärkulturellen Bereich wünschen. Das Diskutieren sämtlicher wichtiger Lebensfragen mit den Mitteln der Kunst.

TT: In Tirol wird nicht nur seit Jahren über ein Haus der Kunst, sondern auch über eine Kunstuni diskutiert. Könnte eine solche die Szene beleben?

Matt: Ja, aber nur als konzertierte Aktion. Wir versuchen etwa, in Kooperation mit der Angewandten unseren Projektraum am Wiener Karlsplatz als Link zwischen Wissenschaft und Praxis zu etablieren. In Innsbruck könnte man in der Form eines Postgraduate auf eine Tradition aufbauen, die vor Jahren von Clemens August Andreae hoffnungsvoll begonnen worden ist. Hier bräuchte es aber die besten Köpfe, müsste etwas installiert werden, an dem man international nicht vorbei kommt.

TT: Sie schlagen sich nach wie vor wacker als Leiter der Kunsthalle Wien.

Matt: Wir versuchen ein zeitgenössisches Programm für viele attraktiv zu machen. Und dies trotz der Bürokratiezwingburg Museumsquartier.
2004-04-26 16:26:03