Ein Rotzbua bei Herrn Freud
Von Claudia Aigner
Wie heißt das "auf Gscheit", wenn jemand ganz arglos einen
stinknormalen "Rotzbuam" zeichnen will und wenn ihm dann völlig unerwartet
Jörg H. "herausrutscht"? Freudsche Fehlleistung? Leon Golub (bis 20.
Oktober in der Galerie König, Schleifmühlgasse 1) hat angeblich nicht im
Entferntesten geahnt, wie das einfachste Parteimitglied, seit es Kärntner
Landeshauptmänner gibt, aussieht (aber der Amerikaner hat trotzdem nicht
geglaubt, dass Kärnten bloß ein mickriges Aborigines-Dorf im hintersten
Australien ist). Die "Freudsche Fehlleistung" ballt eine Hand zur Faust.
(Freilich scheint der Mittelfinger noch nicht wirklich soweit gewesen zu
sein, weil er ja noch immer in die Höhe steht.) Doch halten wir uns nicht
mit dem Verfolgungswahn der Österreicher auf, die in jedem Lauser gleich
einen Bärentaler wittern. Aggressiv ist es bei Golub ja schon immer
zugegangen (man denke an seinen "Mr. Amok", der, obwohl er ja eh schon
halbverwest ist, noch immer keine Ruh gibt). Jetzt streunen herrenlose
Hunde (so richtige Köter ohne Beißkorb und Leine) durch eine geradezu
apokalyptische Gegend. Wenn sich da Zwei um einen Lappen reißen, rechnet
niemand mehr mit der Spaghetti-Romantik von Susi & Strolch. Ein
bisschen zynisch wirkt es schon, wenn dort, wo Soldaten "es" dem Feind
gerade so richtig "zeigen", ein Straßenschild mit einem Pfeil nach oben
auf die "Abfahrt zur Transzendenz" hinweist. Wo man dann wohl entweder
Gott trifft (deshalb dürften Nietzsche und Wittgenstein dort auf der
Watchlist stehen) oder ihn doch nicht trifft (wenn Nietzsche Recht gehabt
hat). Expressive Brutalitätsfetzen und lapidare Sprachfetzen so provokant
zu mischen, das hat was. Auch wenn die Welt dadurch wahrscheinlich nicht
friedfertiger wird. Oder gar den Amis ihr John-Wayne-Komplex wegtherapiert
werden wird. (Die Welt ist eine globale Westernstadt und das Weiße Haus
das Büro des Sheriffs.) Andere in ihrer Situation hätten sich mit 50
Kerzen auf einer Torte abgefunden. Gabriele Kutschera hingegen (bis morgen
in der Galerie Hofstätter, Bräunerstraße 7) hat für jedes Lebensjahr eine
Eisenstange so lange behämmert, bis jetzt jede davon sozusagen einen
Plattfuß an jedem Ende hat. Die Geburtstagstorte war dann gleich die ganze
Natur, wobei Felix Friedmann (Fotograf und Gratulant) die Jahre 1 bis 50
n. K. (nach Kutschera) kongenial in die Landschaft gespießt und das Ganze
dann noch kongenialer abfotografiert hat. Durch den Kunstgriff, jedes Foto
auch als Negativprint aufzuhängen, glüht das Eisen wieder so, als hätte es
noch immer "Fieber" wie während des Schmiedens, und da kann ein Gebirge
wie eine Feuerwand aussehen, vor der quasi die "Gräten des Ungeheuers vom
Traunsee" (Kutscheras "Geburtstagskerzen") aus dem Traunsee-Wasser ragen.
Gabriele Kutschera macht sich mit einfachen Konstruktionen von
überwältigender Präsenz bemerkbar. Freilich: Auch Disziplin schützt vor
Spieltrieb nicht (zum Glück). Bei den Lanzenspitzen für ihr Heer aus 15
Lanzen beweist die Schmiedin ja fast schon kindlich unbeschwerte
Kreativität. Man möchte sich, wenn man ungefähr zu dreißig ist,
holländisch kostümieren, sich die Lanzen greifen und gemeinsam mit dem
Hund vom Nachbarn unorganisiert vor einem Torbogen herumlaufen (dann wäre
man Rembrandts "Nachtwache").
Erschienen am: 13.10.2000 |
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