Oesterreich

Wo Ornate und Ideen schweben

30.06.2007 | SN
Originelle Messkleider, orange Liniennetze in der Kapelle und afrikanische Trommelmusik: Pfarrer Hermann Glettler und sein ungewöhnliches Gotteshaus. MARTIN BEHR

Martin Behr Graz (SN). Dieses Gotteshaus ist offen, bunt, lebendig. In vielerlei Hinsicht. Von der Decke schweben von Künstlern angefertigte und durchaus gewagte Messgewänder, der Altar ist ein aus Spiegelteilen gefertigtes Glitzerkunstwerk und jeden Sonntag wogt afrikanisches Temperament durch die Kirchenschiffe. In der Grazer Pfarre St. Andrä praktiziert Pfarrer Hermann Glettler gelebte Gastfreundschaft und den Dialog mit zeitgenössischer Kunst.

"Vor einigen Jahren stellte sich die Frage: Beschränken wir uns auf die immer kleiner werdende Pfarrgemeinde oder machen wir das Tor auf zu einer internationalen Glaubensgemeinschaft", erzählt Glettler. Er hat sich für die zweite Variante entschieden. Heute werden in St. Andrä Messen in englischer, französischer, ungarischer und spanischer Sprache gelesen. Besonders die Gottesdienste der African Catholic Community sind ein rhythmisch-sinnliches (Glaubens-)Erlebnis. "Diese Feiern atmen etwas von Weltkirche mitten im Arbeiterbezirk Gries", sagt Glettler.

Neben der Integration der in Graz lebenden ausländischen Katholiken ist Pfarrer Glettler sehr um den Dialog zwischen Kirche und zeitgenössischer Kunst bemüht. Derzeit stellt er Messkleider aus, die namhafte Künstler für ihn entworfen haben. Tragbar sind sie nicht alle, aber Symbole für die Offenheit des Pfarrers. Der Künstler Otto Zitko hat eine Seitenkapelle mit einem orangen Liniennetz überzogen. "Was ursprünglich heftigen Widerstand in der Pfarrgemeinde hervorgerufen hat, wird allmählich akzeptiert", sagt Glettler, der Kunstgeschichte studiert hat und auch selbst als Künstler tätig ist.

Für die Verspiegelungen von Teilen der Inneneinrichtung sorgte der Künstler Gustav Troger, Markus Wilfling wiederum hat ein Glasfenster in luftiger Höhe mit einer Türschnalle versehen: Ein Tor in den Himmel? "Jesus ist international und die Kunst hat eine universelle Bildsprache", sagt der in Übelbach bei Graz geborene Hermann Glettler, der auch die Pfarre Karlau und die Filialkirchen St. Lukas und die Welsche Kirche betreut.

Bei der profanen Kunst legt Glettler Wert auf spirituelle Kraft, die sich oft nicht auf den ersten Blick erschließt. Sein Einsatz für Christen, die nicht in Österreich geboren wurden, sieht er als "Multikulti-Engagement ohne exotische Ethno-Romantik". Nicht alle traditionellen Pfarrmitglieder haben die Öffnung der Kirche mitgetragen, einige besuchen andere Pfarren, weil sie etwa die afrikanischen Trommeln bei der Messfeier nicht ertragen können. "Das stimmt mich nicht glücklich, aber es gibt auch andere Erlebnisse, etwa jene türkischen Familien, die ich kürzlich nach einjähriger Vorbereitung taufen durfte", erklärt Glettler. Kirchenintern hat er den Ruf eines "bunten Hundes". - "Stört mich nicht", sagt er und lädt weiter Kunstschaffende ein, die Kirche dauerhaft zu verändern.

Glettler will Denkmuster aufbrechen, Horizonte erweitern, defensive Grundhaltungen aufweichen. Und Reibung erzeugen. "Wenn ich billigen Frieden haben wollte, würde ich das alles nicht tun. Ich liebe neue Herausforderungen." Auch in seiner eigenen Kunst. Die Malerei - früher malte er Köpfe - hat er aufgegeben, nun verändert er durch Ausschnitt und Collage Plakate und Poster. Um die Mitglieder der Gemeinde untereinander zu vernetzen, hat er kürzlich einen Ort interkultureller Begegnung geschaffen: das Andrä Foyer. Glettler: "Eine Lernzone, hier wird auch Deutsch-Nachhilfe angeboten."

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