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vom 12.02.2007 - Seite 011
Bei Adele versagte ein Bewusstsein

Die erste "StreitKULTUR" (siehe Kasten) dreht sich um das Thema "Ade Adele! Wer schützt unser kulturelles Erbe?" Die OÖN sprachen darüber mit Mitveranstalter Peter Assmann, Direktor der OÖ. Landesmuseen.

VON BERNHARD LICHTENBERGER

OÖN: Was ist unser kulturelles Erbe?

ASSMANN: Kultur ist alles, was der Mensch im Zusammenhang mit seiner Umwelt gestaltet. Natürlich gibt es eine Art "Kulturpyramide", an deren Spitze die Kreativität des Menschen steht, und das ist die Kunst. Für jede kulturgeschichtliche Sammlung muss aber in der Breite gesammelt und bewahrt werden. Wir bemühen uns als Universalmuseum, Alltagskultur genauso zu sammeln wie die Kultur der Technik. Wissenschaft ist Teil der menschlichen Auseinandersetzungsstrategie mit der Umgebung.

OÖN: Wovon wird unser kulturelles Erbe bedroht?

ASSMANN: Die grundsätzliche "Gefahr" sehe ich im Bewusstsein. Wir erleben gerade eine Zeitkultur, die sehr stark von Geschwindigkeit und Globalisierung geprägt ist. Es wird stets das Neue propagiert, im nächsten Moment ist der letzte Augenblick schon wieder veraltet. Die Geschwindigkeit dieses Veralterns steigt. Da muss man aufpassen, dass man nichts übersieht.

Das Zweite, was mich in diesem Zusammenhang interessiert, ist die Frage, wie sich eine Gemeinschaft strukturiert. Da meine ich schon, dass Kultur alle angehen muss. Der Ort der Materienbewahrung, das Museum, darf nicht als Obrigkeit angesehen werden, die das schon machen wird.

Jeder baut sich ja im Laufe seines Lebens sein eigenes Museum, seine Erinnerungen, seine Gegenstände, die ihm wichtig sind, sind Teil seiner Identität. Das muss mehr zusammenfließen.

OÖN: Wie wollen Sie den Einzelnen in die Pflicht nehmen?

ASSMANN: Es geht nicht um Verordnungen, sondern darum, Bewusstsein zu erzeugen, indem man darüber spricht.

OÖN: Sollen alle die Museen stürmen?

ASSMANN: Es ist sicher kein Schaden, wenn man sich ein bisschen orientiert. Aber mir geht es zum Beispiel auch bei Firmen darum, dass sie die Akten mit ihren Prototypen, ihren Überlegungen, die man vor 15 Jahren gehabt hat, nicht einfach wegschmeißen, sondern sich wieder stärker dem Archivgedanken zuwenden.

OÖN: Wie groß ist der Verlust der "Goldenen Adele" und der anderen Klimt-Bilder?

ASSMANN: Man möge sich das im Falle der Mona Lisa vor Augen führen. Die Mona Lisa ist nicht im Pariser Louvre gemalt worden, sondern unter Napoleon als Raubkunst von Italien nach Frankreich gebracht worden. Jetzt steht sie aber für eine ganze Museumsinstitution.

Österreich ist gut darin beraten, solche Bilder nicht ziehen zu lassen und nicht sofort zu schreien, das Geld haben wir nicht, sondern sich in eine langfristige Rechnung zu begeben. Es ist eines des Hauptbilder von Klimt, es ist eines der kunsthistorisch intensivst diskutierten Gemälde. Das Bild ist einfach nicht mehr in Österreich - in 20 Jahren wird es Teil einer New Yorker Identität sein.

OÖN: Wer hat versagt?

ASSMANN: Ein Bewusstsein. An diese Frage knüpfen sich eine ganze Reihe von museumspolitischen Überlegungen der letzten Regierung, die sehr konsequent auf die Ausgliederung gesetzt hat und darauf, Museen nur zu Wirtschaftsgebilden zu machen. Schritte, die man jetzt versucht, behutsam zurückzunehmen.

OÖN: Gibt es noch Mäzenatentum, das etwas bewirkt?

ASSMANN: Wir selbst sind vor Jahren in den Genuss eines Mäzens gekommen. Die Tafeln des Meisters von Mondsee konnten nur mit Hilfe eines ungenannt bleiben wollenden Wieners für Österreich und für unsere Sammlung gerettet werden. Da haben privat und öffentlich perfekt ineinandergegriffen. Im Fall Adele hätte es den höchsten Repräsentanten des Staates oder zumindest den Fachminister gebraucht, der sagte: "Unterstützen wir die Privatinitiative, jeder Euro wird verdoppelt." Aber das Abputzen, das war nicht in Ordnung, da würde ich wirklich von Versagen sprechen.

OÖN: Dem Sport scheint es leichter zu fallen, Sponsoren anzuziehen. Warum gibt es für die Kultur kein Red Bull?

ASSMANN: Die Gesetzgebung ist keine, die Mut macht. Wer sich hier betätigt, hat mit geringen steuerlichen Erleichterungen zu rechnen. Wir haben in Österreich eine Kultur der Oper und des Theaters, diesen Bereich haben schon die Habsburger forciert.

Deshalb braucht es von Seiten der öffentlichen Hand Rahmenbedingungen, die es dem Einzelnen attraktiv machen, sich hier zu engagieren. Wir stehen, das ist meine Sorge, am Ende des Ehrenamtes. Es gibt kaum mehr Menschen, die bereit sind, ehrenamtlich kulturelle Aufgaben zu übernehmen.

OÖN: Ein Beispiel?

ASSMANN: Der klassische Dorfschullehrer, der am Sonntag beim Gottesdienst die Orgel spielt, am Samstag mit dem Kirchenchor Musikalisches einstudiert und vielleicht auch nebenbei das Heimatmuseum betreut.

Wer schützt unser kulturelles Erbe?

"Ade Adele! Wer schützt unser kulturelles Erbe?" - so lautet das erste Thema der neuen Gesprächsreihe "StreitKULTUR" der OÖN und der Oberösterreichischen Landesmuseen. Dazu diskutieren am kommenden Freitag, 16. Februar, 18 Uhr, im Festsaal der Landesgalerie Linz (Museumstr. 14) bei freiem Eintritt Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, Landeskonservator Wilfried Lipp, Galerieleiter Thomas Mark und Museumsdirektor Peter Assmann.

NEUE DISKUSSIONSREIHE VON OÖN UND LANDESMUSEEN

Peter Assmann Foto: vowe

Wird die "Goldene Adele" in 20 Jahren Teil einer New Yorker Identität sein? Foto: Reuters


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