07.03.2003 02:18
Landvermesser und andere Akteure
Grimmiger Witz jüdisch- israelischer Künstler zum Zustand einer
omnipräsenten Selbstverteidigung - zu sehen derzeit in Linz
Mit teilweise grimmigem Witz kommentieren
jüdisch-israelische Künstler dieser Tage ihr ambivalentes Verhältnis zu ihrem
Land. Im Linzer O.K Centrum für Gegenwartskunst zeigt die Ausstellung "The
Promise, the Land" schräge Blicke auf Fakten und Fiktionen in einem Zustand
omnipräsenter Selbstverteidigung.
Linz - Selbstwahrnehmung in prekären Zeiten, in denen die obsolete
Unterscheidung zwichen "Tätern" und "Opfern" für die eigene Identitätsbestimmung
nur bedingt weiterhilft: Ähnlich wie im Deutschland der Nachkriegszeit sind
gegenwärtig in Israel Künstler und Intellektuelle damit befasst, ihr Verhältnis
zu Politik und Gesellschaft auszuloten. Was bedeutet beispielsweise "jüdische
Vergangenheit", wenn sie sich aus diversen Herkunftsländern speist?
Für
die Kunst wie auch für die Theorie folgt daraus, was oft in ideologisch
aufgeladenen Kontexten gilt: Die Fragen, die gestellt werden, sind mitunter
präziser als die Antworten. Es dominiert, wie gegenwärtig in zahlreichen
Dokumentarfilmen zum Thema, ein suchender Blick: Fahrten durch und Schwenks über
Gesichter und Landschaften, aus denen sich der Betrachter Erkenntniswerte selbst
zu einem (wiederum fragmentarischen) Bild montieren muss.
So auch bei der
Ausstellung The Promise, the Land, die am Donnerstag im Linzer O.K Centrum für
Gegenwartskunst eröffnet wurde: Als Auftakt eines größeren Projekts "Israel
Palästina" beschränkt sie sich auf jüdisch-israelische Arbeiten.
Wobei
aus der Perspektive der Wiener Kuratoren Thomas Edlinger, Stella Rollig und
Ronald Schöny eine abstrahierende, oft kartografische Vermessung eines
abgeschotteten, fremden Landes leitmotivisch anklingt. Sei es in den Raumplänen
von Zvi Efrat, die bereits vor dem O.K eine Aufsehen erregende Installation der
letzten Biennale in Venedig variieren: Eiserne Lamellen geben beschränkt
Einblick auf Aufnahmen des Filmemachers Avi Mograbi.
Borderlinedisorder:
Wenn man an dieser seltsam durchlässigen Barriere vorbei endlich das Centrum
betritt, löst ein Bewegungsmelder die Automatik einer zweckentfremdeten
Fahnenstange aus, entlang der ein Megafon hochfährt, über das eine menschliche
Stimme die israelische Armeehymne intoniert (Installation: Yael Bartana). Im
Hintergrund präsentiert sich dann eine Abfolge deformierter
Rollenbilder:
Wahlwerbung für das Projekt "Pettek" etwa, das sich rund um
den Künstler Tal Adler als Partei gegen die von militärischen Argumentationen
dominierte politische Landschaft inszeniert; russische Immigranten, als
Außenseiter mit Schweinsnasen von Maria Pomiansky fotografiert; oder: ein
homosexueller, orthodoxer Jude, "Marcus Fisher", das fiktive Alter Ego der
Künstlerin Oreet Ashery. Das alles erhebt sich nicht immer über den Level
kurzlebiger politischer Satire. Im Erschließen anderer Lebenswelten als der
meist aus Israel berichteten hat die Ausstellung eher dokumentarische
Qualitäten.
Landschaftspanoramen auf alten Schulbänken sind ebenso zu
studieren wie Aufnahmen von wie mit dem Lineal geplanten Verbindungshighways
zwischen jüdischen Siedlungen und - wieder von Zvi Efrat - beschleunigte
Computersimulationen wuchernder urbaner Zellen.
Diese kommunizieren
wiederum mit Luftaufnahmen von Meir Gal, auf denen - unter dem Titel Erasing The
Major Museums - Horte der Vermittlung von Geschichte aus Stadtbildern eliminiert
wurden, ähnlich wie dies normalerweise mit Militärbasen passiert. Daneben:
Gespenstisch dahingleitende Autokolonnen in Yael Bartanas Installation Trembling
Time, die kurzfristig für eine Trauerminute innehalten. Verloren stehen die
Menschen auf einer Autobahn in Haifa.
Der vielleicht komplexeste Beitrag:
eine kleine Retrospektive für die Künstlerin Justine Frank (1900-1943), die der
Künstler Roee Rosen zusammengestellt, oder richtiger: erdacht hat.
Ein
kleines Atelier beherbergt Arbeiten einer "kontroversiellen jüdisch-belgischen
Surrealistin", die in pornografischen Schattenrissen, Aquarellen und Skizzen
gleichermaßen De Sade, Dada, japanische Malerei und Feindbilder des "ewigen
Juden" reflektiert. Wie und wohin die exzentrische, hoch gebildete Diva
verschwand, sei unklar, erklärt ein liebevoll gestalteter Katalog, der
gleichermaßen Pasolinis 120 Tage von Sodom weiterdenkt und prekäre Versuche,
finstere (Kunst-)Geschichte ansprechend aufzuarbeiten, ironisiert.
Das
Spannungsfeld zwischen Kunst, Historie und Politik will am Wochenende übrigens
auch ein Symposium bearbeiten: "Remapping the Region“, im O.K, Dametzstr. 30,
4020 Linz. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.3.2003)