Es handelt sich um die logische Fortsetzung
der florierenden Kooperationen zwischen Luxusmarken und Künstlern, die
zumeist von recht kurzer Verweildauer sind: Der institutionalisierte
Ausstellungsraum wird von immer mehr Maisons als Präsentationsfläche
entdeckt, und nicht wenige bauen sich gleich ihr eigenes Museum zum
Zweck der Selbsthuldigung. Andere wieder treten als Sponsoren von
Ausstellungen auf, in denen sie eine zentrale Rolle spielen.
Mode statt Kunst. Eine
Pionierstellung nimmt in diesem Zusammenhang das Museo Ferragamo in
Florenz ein, das es seit 1995 gibt. Auch gut im Rennen ist das Musée
Christian Dior im Geburtshaus des französischen Couturiers in Granville,
das seit 1997 existiert. Wenige Jahre später hätte eigentlich das Museo
Balenciaga im baskischen Getaria eröffnen sollen (die Initiative für
seinen Bau kam von der seit 1994 bestehenden, von Hubert de Givenchy
geleiteten Fundación Balenciaga) – nur leider kam es infolge eines
Veruntreuungsskandals, verursacht vom ortseigenen Bürgermeister, zu
großer Verspätung: Das Haus eröffnete erst 2011. Etwa zeitgleich sperrte
das Museo Gucci in Florenz auf, da nahm die Firma ihr 90-jähriges
Bestehen zum Anlass. Und Ende des Jahres ging auch noch ein
virtuelles Museum von Valentino ins Netz.
„Ich finde es großartig,
dass Modemarken allmählich die Bedeutung ihrer Archive erkennen. Am
virtuellen Museum von Valentino mag ich außerdem, dass es von
überall zugänglich ist“, lautet der Kommentar von Oriole Cullen,
Modekuratorin des Victoria-&-Albert-Museums in London. Zum Hang
mancher Maisons, sich selbst museal zu würdigen, bemerkt sie: „Italien
nimmt definitiv eine Vorreiterrolle ein; ich weiß aber, dass auch
US-Marken sich mit dem Thema beschäftigen. Calvin Klein hat zum Beispiel
ein ausgezeichnetes Firmenarchiv.“
Wo Interesse an einer
Zugänglichmachung der Archivbestände besteht, ist natürlich auch die
Schenkung an ein Museum eine Möglichkeit – unlängst trennte sich etwa
Helmut Lang von über 1000 Objekten aus seiner aktiven Zeit als Designer,
die Kollektionsteile und begleitende Unterlagen gingen an das Wiener
MAK. Ob und wann es eine große Retrospektive geben wird, ist aber noch
nicht klar – zuletzt hätte es noch eine Ausstellung von Lang als
bildendem Künstler geben sollen, die relativ kurzfristig abgesagt wurde.
Für ein (in Wien großteils noch zu schaffendes) Interesse an Mode
als „probatem“ Ausstellungsgegenstand ist freilich die
Kontextualisierung entscheidend. Das bestätigt auch Barbara Rüdiger, die
als Kuratorin an der Schnittstelle von Mode und Kunst arbeitet:
„Wichtig ist, ob es in einem Museum einen Schwerpunkt auf angewandte
oder bildende Kunst oder Volkskunde gibt – und ob die Mode als
Gebrauchsgegenstand oder Kostüm gezeigt wird.“
Forschergeist.
Aus der Perspektive von Kostümkundlern, die sich nicht nur über das
Vorhandensein von Exponaten in einer Sammlung freuen, sondern sie auch
beforschen, also möglichst genau von allen Seiten besehen wollen, sind
die Museen der Modemarken eine nicht unwillkommene Einrichtung. „Wenn
ich als Kostümhistorikerin über einen Designer forsche, bin ich
heilfroh, wenn es ein eigenes Museum mit Archiv gibt“, resümiert die
Modehistorikerin Annemarie Bönsch, die an der Universität für angewandte
Kunst lehrt. Die Gründe liegen auf der Hand: „Wenn jemand sein eigenes
Museum betreibt, kann er mit den Sammlungsstücken machen, was er will.
In öffentlichen Museen bestimmen Sammlungskustoden und Restauratoren,
unter welchen Bedingungen und ob überhaupt Stücke ausgestellt oder
zugänglich gemacht werden.“ Frau Bönsch, die Generationen von
Modestudenten mit theoretischem Hintergrundwissen ausgestattet hat,
stellt allzu rigorose Schutzvorkehrungen für historische Gewänder
infrage: „Es erhebt sich die Frage, ob man Zeitgenossen wirklich
verwehren darf, ein Kleid zu beforschen, nur weil spätere Generationen
es auch noch zur Verfügung haben sollen, obwohl man nicht weiß, ob es
sie noch interessiert.“
Möglicher Zankapfel.
Kritisch sieht Bönsch auch monothematische Ausstellungen in öffentlichen
Museen, wenn sie vom Ausstellungsgegenstand mitfinanziert werden: „Da
begeben sich Museen in gewisse Abhängigkeiten.“ In Anbetracht der
Budgetlage vieler Häuser sei zugleich verständlich, wenn sie sich
lukrative Kooperationen nicht entgehen lassen. Im Pariser Musée des Arts
Décoratifs eröffnet etwa demnächst eine Ausstellung, die Marc Jacobs
und den Firmengründer Louis Vuitton einander gegenüberstellt,
Hauptsponsor ist die Luxusmarke selbst; auch bei einer großen
Alexander-McQueen-Retrospektive im Metropolitan Museum trat der
Mutterkonzern als Geldgeber auf. „Ich kann dazu nur sagen:
Unterschiedliche Museen handhaben die Angelegenheit auf unterschiedliche
Weise“, bemerkt Oriole Cullen recht knapp. Derzeit arbeitet sie an
einer Ausstellung mit dem Titel „British Glamour“, die ab Mai im
Victoria & Albert zu sehen sein wird, und fügt hinzu: „Wir
bevorzugen aber Themenschauen, weil wir so auch mit unserer eigenen
Sammlung arbeiten können.“
Außerdem ergebe sich daraus weniger
Konfliktpotenzial als bei der engen Bindung an nur ein Modehaus, meint
Cullen weiter: „Natürlich können die Ansichten von Kurator und Designer
divergieren – in den 1990ern hat sich Karl Lagerfeld mit dem
Metropolitan Museum zerstritten, später kam es aber zur Versöhnung und
einer großen Chanel-Retrospektive im Jahr 2005.“ Derzeit spielt das Met
Museum übrigens wieder mit dem Feuer: Im Mai soll eine Ausstellung über
Miuccia Prada und Elsa Schiaparelli eröffnen, über das
Branchenblatt WWD ließ die Prada aber schon ausrichten, dass sie wenig
vom kuratorischen Konzept halte und ihre Position als „komplett konträr“
zu jener Schiaparellis empfinde. Wieso sollten selbstbewusste
Modedesigner auch im Umgang mit weltberühmten Museen plötzlich zu
handzahmen Wesen werden?