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Albertina: Picassos Malerei ist eine Waffe

21.09.2010 | 19:01 | SABINE B. VOGEL (Die Presse)

Vier Jahre nach dem Blick auf das Alterswerk von Pablo Picasso zeigt die Albertina wieder eine umfangreiche Ausstellung des berühmtesten Künstlers der Welt - diesmal mit Betonung seiner politischen Werke.

Am 26. April 1937 zerstörten deutsche Kampfflugzeuge im Auftrag von General Franco die spanische Kleinstadt Gernika. 1600 Zivilisten starben. Kurz nach Bekanntwerden der Bombardierung begann Pablo Picasso mit seinem Gemälde, das er nach dem kastilischen Namen der Stadt „Guernica“ nannte. Ein Jahr zuvor hatte er den Auftrag zur Gestaltung des spanischen Pavillons bei der Weltausstellung 1937 in Paris erhalten; er verwarf seine ursprünglichen Pläne und malte nur in Schwarz, Grau und Weiß gehalten sein monumentales Bild des Entsetzens und Schmerzes für diesen Pavillon. Bis heute gilt es nicht nur als eines der bedeutendsten Werke der Moderne, sondern auch als jederzeit aktuelle Anklage gegen den Krieg.

„Guernica“ ist das bekannteste Werk, das Picasso in direktem Zusammenhang mit der Politik malte. Bei all seinen harmlosen Bildern, die mittlerweile als Poster Tausende von Wohnzimmerwänden schmücken, wird oft Picassos politisches Engagement vergessen. In einem Interview erklärte er 1944: „Ja, ich bin mir im Klaren, dass ich schon immer durch meine Malerei am Kampf teilgenommen habe, als ein echter Revolutionär. Aber jetzt habe ich begriffen, dass das nicht genug ist; ... dass ich nicht nur durch meine Kunst kämpfen muss, sondern mit dem Einsatz meiner ganzen Person.“

 

Beitritt zur Kommunistischen Partei

Picasso trat der KP bei und schoss ein Jahr später in seinem Aufsatz „Was ist ein Künstler?“ scharf gegen den Vorwurf, Kunst und Politik müssten getrennt sein: „Was glauben Sie denn, ist ein Künstler? Er ist gleichzeitig ein hochpolitisches Wesen, das ständig im Bewusstsein der zerstörerischen, brennenden oder beglückenden Weltereignisse lebt und sich ganz und gar nach ihrem Bilde formt. Wie könnte man kein Interesse an den anderen Menschen nehmen und sich in elfenbeinerner Gleichgültigkeit von einem Leben absondern, das einem so überreich entgegengebracht wird? Nein, die Malerei ist nicht erfunden, um Wohnungen auszuschmücken! Sie ist eine Waffe zum Angriff und zur Verteidigung gegen den Feind.“

Diese Seite des berühmtesten Malers des 20. Jahrhunderts greift jetzt die Wiener Albertina mit der umfangreichen Picasso-Ausstellung „Frieden und Freiheit“ auf, die in Zusammenarbeit mit der Tate Liverpool entstand und dort zuvor zu sehen war. 200 Werken ab den 1940er-Jahren sind ausgestellt, darunter 23 aus der Sammlung der Albertina. Zwar ist „Guernica“ nicht dabei, dafür aber jene Bilder, die in Zusammenhang mit der Kuba-Krise, dem Korea-Krieg und dem algerischen Unabhängigkeitskrieg entstanden.

Ähnlich wie in „Guernica“ malt Picasso auch in „Das Leichenhaus“ (1945), in „Las Meninas“ (1957) und „Der Raub der Sabinerinnen“ keine konkreten Szenen, keine direkten Fakten, sondern klagt in einer höchst intensiven, zugleich gegenständlichen und abstrakten Formensprache Gewalt und Machtmissbrauch, Mord und Folter an. Immer wieder greift er dazu auf kunsthistorische Vorbilder und antike Mythen zurück, was in der Ausstellung in den Saaltexten kurz und übersichtlich erklärt wird.

Das bekannteste seiner politisch besetzten Bilder ist sicherlich die Taube mit dem Olivenzweig im Schnabel. 1949 bat Louis Aragon, Pariser Dichter und Verleger, Picasso um ein Plakatmotiv für den Weltfriedenskongress. Sie wählten die Taube und gestalteten damit Plakate für die Friedenskonferenzen in Breslau, Paris, Stockholm, Sheffield und Rom. Im Kalten Krieg wurde Picassos Taube zu einem der wichtigsten Hoffnungssymbole, bis heute ist sie das Zeichen der Friedensbewegungen.

 

Effekthascherische Fototapeten

Auf acht Räume sind die Werke dieser Ausstellung aufgeteilt, jedes einem Thema gewidmet. Der letzte Saal steht unter den Stichworten Frauen und Musketiere. Es sind faszinierende Werke, die Picasso bis kurz vor seinem Tod 1973 malte. Aber ein direkter thematischer Zusammenhang wie die hier ausgegebene Formel „Musketier ist gleich Kämpfer“ gegen „Frau ist gleich Harmonie“ ist allzu vereinfachend – es sei denn, man argumentiert umgekehrt: Durch Picassos politische Haltung, die Malerei als „Waffe“ gegen Krieg und Kriegstreiber zu benutzen, kann jedes seiner Bild als politisch engagiert gelten. Dann aber benötigt es schon mal gar nicht diese effekthascherischen, wandgroßen Fototapeten, die in jedem Raum den Gemälden beigeordnet, teils sogar unterlegt sind. Traut die Albertina der Kraft dieser Bilder nicht – oder soll damit die kuratorische These eines politischen Picasso bestärkt werden? Völlig unnötigerweise jedenfalls müssen Picassos Bilder gegen Fotografien von Soldaten und Kampfflugzeugen antreten.

Das verstärkt nicht den Blick auf politische Zusammenhänge, sondern erschwert die Wahrnehmung all der faszinierenden Facetten von Picassos Antikriegsbildern. Wer aber dieses kuratorische Spektakel ausblenden kann, hat in dieser Ausstellung die einmalige Gelegenheit, Pablo Picassos „Waffen“ eingehend studieren zu können.
Picasso. Frieden und Freiheit, Albertina, bis 16.1., tägl. 10–19 Uhr, Mittwoch 10–21 Uhr.


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