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Wilfried Seipel: Ein müder Kriegsgott sagt Ade

30.11.2008 | 18:09 | >>STADTMENSCHEN VON ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Abschied im kunsthistorischen Museuam. Wilfried Seipel, ab 1. Jänner in Pension, feierte sein „Farewell-Dinner“ mit internationalen Weggefährten.

Der kecke Schnauzbart kann es nicht mehr sein, an dem Wilfried Seipel sich in Velazquez' ironischer Darstellung des müden Mars wiedererkennt, wie er es Samstagabend bei der launigen Begrüßung zu seinem Farewell-Dinner vor Museumsdirektoren-Kollegen aus aller Welt tat. Von seinem charakteristischen Schnauzer hat Seipel sich schon vor geraumer Zeit getrennt, ebenso wenig wehmütig, wie er sich jetzt bei seinem ausgedehnt zelebrierten Abschied nach 18 Jahren an der KHM-Spitze gab.

Wie war dieser Vergleich mit dem köstlichen Gemälde, einer Leihgabe des Prado für die am Mittwoch eröffnende Abschiedsausstellung des KHM-Generaldirektors, „Vom Mythos der Antike“, also zu verstehen? Denn gezeigt wird der Kriegsgott, wie er ermattet und in nachdenklicher Pose recht unwürdig am Rand eines zerwühlten Betts sitzt – gerade wurde sein Tête-à-Tête mit Vulkans Gattin empfindlich gestört, seine Waffen liegen nutzlos zu seinen Füßen.

Hier hakt Christoph Becker, Direktor des Kunsthauses Zürich, mit seiner Interpretation von Seipels Vergleich ein: „Ein starker Gott, der im rechten Moment die Waffen niederlegen kann – eine sehr autopsychologische Wahrnehmung.“

Fragt man den ebenfalls zum Abschiedsdinner angereisten Direktor des British Museum, Neil MacGregor, welches Kunstwerk denn er mit seinem beliebten Kollegen assoziiere, bemüht dieser lieber ein ganz anderes Bild, ein Meisterwerk des Hauses, Giorgiones „Drei Philosophen“: Die Mischung aus Passion und Intellekt sei es, die ihn hier an Seipel erinnere. Dadurch habe dieser das KHM in einer veränderten, global agierenden Museumslandschaft richtig positionieren können. Der Leiter der Liechtenstein'schen Sammlung, Johann Kräftner, denkt bei Seipel spontan an ein Goldgrundbild, das sich dieser immer fürs KHM gewünscht habe. Stellt Seipel für ihn also die Ewigkeit dar, überirdische Heiligkeit, die der Goldgrund symbolisieren kann? „Vielleicht“, schmunzelt Kräftner.

Ungeniert üppiger griff dagegen der ebenfalls heuer in Pension gegangene Generaldirektor der Staatlichen Museen Berlin, Peter-Klaus Schuster, in seiner Lobrede auf Seipel ins mythologisch Volle – ihn erinnere sein Kollege an Canovas mächtigen Theseus, der am Stiegenaufgang des KHM beständig den Kentauren niederzuringen hat. So „heldenhaft“ habe schließlich auch Seipel bei der Politik für die Bundesmuseen gekämpft.


Eine Tat, die Kulturministerin Claudia Schmied weniger beeindruckt zu haben scheint, ihre Rede blieb kurz und nüchtern, kam nicht ohne kleinen Seitenhieb auf den Diebstahl der Saliera aus – und wirkte im Vergleich zu den kunstvoll tückischen Elogen etwa auch von Seipel-„Macher“ Erhard Busek („Bevor du warst, bin ich“) fast schlicht. Wodurch zumindest, nach vier Reden bereits äußerst willig, die illustre Direktorenrunde schneller zum Hauptgang schreiten konnte, der ersehnten „Triole vom Meer und Weide“, Kalbsfilet, Rinderfilet und Hummer.

Derart lukullisch gestärkt und international gepriesen wird selbst ein geschwächter, schnurrbartloser Mars seinem olympischen Abschiedsprogramm gelassen entgegenblicken können – für Seipel war das Dinner mit seinen Direktorenkollegen, dabei natürlich auch die vereinten österreichischen Museumsspitzen, nämlich erst der Auftakt. Es folgen diese Woche noch ein Kunstkammer-Fundraising-Dinner, die Ausstellungseröffnung von „Mythos der Antike“ und ein Künstlerfest im Theatermuseum. Und vielleicht passiert ja hier, worauf viele beim ersten offiziellen Ade gewartet haben – dass der Kriegsgott seine Waffen wieder blitzen lässt und ein Resümee zieht, das die Menschheit wenigstens einmal noch ein wenig beben lässt.


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