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22.07.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Museum der Moderne: Neues schuf nur Schlingensief
VON ALMUTH SPIEGLER
SALZBURG. "Les grands Spectacles", Teil zwei: eine Enttäuschung.

Um Salzburg etwas übers Spektakel zu erzählen, muss man sich eini ges einfallen lassen. Die ganze Stadt ist opulenteste Bühne, touristenüberflutet, starerprobt, skandalgeeicht. Will bildende Kunst hier bestehen, muss sie viel riskieren, zumindest aber dem kulturell verwöhnten internationalen Festspielpublikum mit ebenso höchster Qualitätsstufe entgegentreten, wie Oper und Theater es hier tun. Die passende Auftrittsmöglichkeit dazu hat sie erst seit 2004 mit dem Museum der Moderne am Mönchsberg, dem schlichten weißen Signalbau für das Zeitgenössische in der Mozartstadt.

"Les grands spectacles" hieß die gelungene Eröffnungsschau unter Direktorin Agnes Husslein. Mit einiger Neugierde erwartete man die erste große Sommerschau ihres Nachfolgers Toni Stooss, Teil zwei der "Grands Spectacles". Vergangenen Herbst erst begannen dafür die ersten Überlegungen, berichtet Stooss. Verdammt knapp für ein das ganze Haus füllendes Großprojekt. Zu knapp für das vielbeschäftigte Team und für Kuratorin Eleanora Louis. Das Konzept, das sich - recht naheliegend in Salzburg - um "Kunst auf der Bühne" dreht, wirkt unausgereift, kann sich zwischen Theatergeschichte und Kunstgeschichte nicht entscheiden, besteht hauptsächlich aus kleinteiligen Skizzen, Zeichnungen und Modellen aus Archiven und dem kooperierenden Wiener Theatermuseum.

Das einzige wenigstens zum Teil eigens geschaffene neue Werk, Christoph Schlingensiefs adaptierter, durch die Welt tourender "Animatograph", wird erst nächste Woche fertig. Die Enttäuschung saß. Bis dahin bleiben drei Geschoße brav illustrierter Geschichte. Von der Entrümpelung der Bühne im 19. Jahrhundert, dem Totaltheater des Bauhaus, geht es vorbei an der revolutionären Raumbühne Friedrich Kieslers, Richard Teschners Stabfiguren, Jean Dubuffets großen Schablonen für "Coucou Bazar".

Im obersten Geschoß dann schön, aber unmotiviert, ein ganzer Raum voller Leihgaben des Foto-Galeristen Johannes Faber - ein paar Bewegungsstudien Man Rays und Rodchenkos sowie Hiroshi Sugimotos leere Theater- und Kino-Bühnen. Anschließend der konzentrierteste Teil der Schau: Ein Abriss über die Künstler, die für die Salzburger Festspiele arbeiteten: beginnend mit Entwürfen der legendären Zauberflöte Oskar Kokoschkas 1954/55 und Wotrubas "König Ödipus" (65). Endend bei Jörg Immendorffs "The Rake's Progress" (1993/94) und Jaume Plensas "La Damnation de Faust" (1999).

Die kuratorische Entscheidung für das ebenfalls hier laufende Video von Hermann Nitschs Orgienmysterientheater an der Burg - und gegen seine Ausstattung der "Herodiade" an der Staatsoper - aber wird zum Schluss symptomatisch für die ungelöste Problematik dieser Ausstellung: Beschränkt man sich auf Arbeiten, die Künstler direkt für Theater oder Oper schufen, dann ist das durch Budgetnöte erklärte Fehlen von Picassos berühmten Ballett-Ausstattungen nicht entschuldbar. Genauso wenig wie das Auslassen von Hrdlickas "Ring" für Meiningen, Anselm Kiefers "Ödipus auf Kolonos" fürs Burgtheater oder Zaha Hadids Bühneninstallation für Beat Furrers "Begehren" zur Eröffnung der Grazer List Halle. Oder aber man will einen Schritt weiter gehen, und Kunst zeigen, die sich frei und konzeptuell mit dem Thema beschäftigt. Wie es die Wahl von Nitschs Orgienmysterientheater andeutet. Oder das "Papa-Gena"-Video der Lettin Laila Pakalnina.

So aber wählte man ein bisschen von hier, ein bisschen von dort. Und wird so keinem der beiden Themenfelder gerecht. Von einer provokanten Problematisierung oder gar einer neuen Sichtweise auf das gerade heute wieder so brisante Verhältnis zwischen bildender und darstellender Kunst ganz zu schweigen.

Buh schreien tut man nicht. Aber leider gibt es in Ausstellungen auch keine Pause, in der man demonstrativ gehen könnte.

Bis 8. 10. Während der Festspiele täglich 10-18 Uhr, Mi bis 21 Uhr. Eröffnung von Schlingensiefs Animatographen "Chicken Balls. Der Hodenpark": 29. Juli, 11 Uhr.

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