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Aus dem Entchen wird der Schwan

Wir alle kennen die Geschichte vom häßlichen, braunen Entchen, das letztlich, nachdem es viel Spott und Leid ertragen mußte, ein wunderbarer, weißer Schwan wurde, zu dem die Enten neidvoll aufblickten. Es ist ein Märchen von Hans Christian Andersen, dem großen dänischen Dichter, ein Lehrstück für das Leben. In Vorarlberg gibt es ein Beispiel von einem schönen Schwan, der ein häßliches Entlein wurde und nun wieder zum Schwan aufsteigt. Auch ein Lehrstück. Für das Geschichts- und das Unrechtsbewußtsein auch in Vorarlberg. Ende des 18. Jahrhunderts wurde in Hohenems nach Plänen des Bregenzerwälder Baumeisters Peter Bein eine Synagoge für die jüdische Gemeinde errichtet, Mitte des 19. Jahrhunderts wurde sie der Reform des jüdischen Gottesdienstes angepaßt. Die Spitze des - für jüdische Gotteshäuser eigentlich ungewöhnlichen - Turmes krönte der Davidstern. Das war damals, zurückgehend auf einen Schutzbrief von Graf Kaspar aus dem Jahre 1617, in Hohenems möglich. In dieser Synagoge war auch der berühmteste Sproß der Hohenemser jüdischen Gemeinde, Salomon Sulzer, ab 1820 als Kantor tätig. Sulzer sollte als Reformer des Synagogengesanges später, als Kantor im Wiener Stadttempel, zu Weltruhm kommen. Das Schicksal der Synagoge aber nahm nach dem Anschluß Österreichs an Nazideutschland seinen tragischen Lauf. Das Haus wurde beschlagnahmt, die Ritualgegenstände wurden vernichtet. Bürgermeister Josef Wolfgang wollte "diese Erinnerungsstätte jüdischer Herrschaft in Hohenems ausmerzen". Die ohnehin nur mehr kleine jüdische Bevölkerung von Hohenems wurde - wo ihr nicht die Flucht gelang - in den Konzentrationslagern umgebracht. Und die Synagoge? Sie war nach dem Krieg zerstört, wurde schließlich Mitte der Fünfziger Jahre zu einem Feuerwehrhaus umgebaut. Das blieb sie bis ins Jahr 2001. Wo früher der Lobpreis Gottes stattgefunden hatte, wurde über ein halbes Jahrhundert profaneren Freuden gefrönt. Nicht einmal eine Gedenktafel sollte an die ehemalige Nutzung erinnern. Es blieb auch im demokratischen Österreich so, wie es der Nazi-Bürgermeister gemeint hatte: Die Erinnerungsstätte blieb "ausgemerzt". Erst die Gründung des Jüdischen Museums brachte ein Umdenken, führte auch zu einer Gedenktafel am Haus. Und die Präsenz dieses Museums war es wohl auch, die neues Bewußtsein brachte. Schließlich konnte die Öffentlichkeit nicht auf der einen Seite ein Museum solcher Art unterhalten, auf der anderen Seite aber in der ehemaligen Synagoge die Feuerwehrfeste abhalten. So wurde in den letzten Jahren für die Feuerwehr eine neue Bleibe geschaffen, die Synagoge aber zum Heim für die Musikschule und zum Kultursaal umgestaltet..

Einen ersten Versuch, das Haus zumindest dem Geiste nach wieder einer würdigen Nutzung zuzuführen, erlebten wir bereits im vergangenen Jahr: Die vom Jüdischen Museum veranstaltete "Kantormania". Es war ein großartiger Abend, ähnliche mögen folgen. Man ist mit dem Direktor des Museums, Hanno Loewy, einer Meinung: "Es ist zu hoffen, daß das Haus ein Leben der kulturellen Vielfalt entwickeln wird, das seiner einmaligen Geschichte entspricht." Auch wir hoffen.

VON WALTER FINK




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