Bis zum Zusammenbrechen

Die Wiener Kunsthalle präsentiert sich erstmals der Öffentlichkeit. Mit einer Installation von Vanessa Beecroft.


Bis weit in den Hof des Museumsquartiers stauten sich schon eine Stunde vor und bis zwei Stunden nach dem Start der mit halbstündiger Verspätung begonnenen Performance die Schaulustigen.


In Gruppen wurden die Zuschauer dann ins Obergeschoß zur 1119 Quadratmeter großen Ausstellungs-Halle vorgelassen. In ihrer bisher 45. Performance hatte Beecroft 45 nackte Frauen - mit Schamhaar-Rasur und blond eingefärbten Frisuren, in Ganzkörper-Make up und hohen schwarzen Lederstiefeln - in militärischen Reihen aufgestellt. Mit bestimmten Einschränkungen - etwa dem Verbot jeglichen Blickkontakts untereinander und zum Publikum - sollten die lebenden Skulpturen drei Stunden lang einfach nur dasein bzw. -stehen und dabei müde werden. Kurzes Hinsetzen oder -legen war in bestimmten Posen erlaubt.

Es ist war bis dato größte Performance, die Vanessa Beecroft für Wien geplant hat. Egal, ob in Tokio, in Köln oder in New York - Beecroft verlangt von den für sie in unterschiedlichen Kunstinstitutionen auftretenden Frauen, dass sie nichts anderes tun, als einfach da zu stehen. In dieser anstrengenden Situation können sie sich langsam bewegen, ja sogar niedersetzen, sollen aber nichts darstellen außer sich selbst.

Mit dem Ort arbeiten...

Unwillkürlich verweisen solche Gruppenbilder auf tradierte Vorstellungen von Erotik, auf normierte Schönheitsideale und körperliche Disziplin in der Öffentlichkeit. Eine maßgebliche Rolle nehmen dabei die Orte der Aufführung solcher Performances ein.

Biennale, 1997
Biennale, 1997

Die aus Genua stammende Vanessa Beecroft und ihre New Yorker Galerie wählen dafür zumeist prominente Kunst-
veranstaltungen und Institutionen wie das Whitney Museum of Modern Art, das Kölner Museum Ludwig oder die Biennale Venedig. Für die neuen Räumen der Kunsthalle Wien im Museumsquartier hat Vanessa Beecroft ihre bisher größte Performance vorbereitet. Es ist ihre 45. und trägt folgerichtig den Titel "VB 45". Beteiligt sind daran insgesamt 45 nackte Frauen bzw. Mädchen.

Performance zum Einstand

Anlass für diese spektakuläre und zugleich stille, zeitlupenförmig ablaufenden Kunstshow ist jedoch die bevorstehende Eröffnung der neuen Kunsthalle Wien. Die Ausstellung im Container auf dem Karlsplatz "Lebt und arbeitet in Wien" geht ihrem Ende zu. Somit stellt sich die Frage, wie der zukünftige Spielort für Gegenwartskunst aussieht.

Der Neubau befindet sich - von vorne besehen fast unsichtbar - hinter der ehemaligen Winterreithalle, die als universell verwendbare Veranstaltungshalle - etwa für die Festwochen oder für Konzerte - einsetzbar ist. Für dort sind noch gastronomische Einrichtungen, Kartenschalter und ein Bookshop geplant. Die Bauarbeiten sind noch in Gang.

Bewährtes Prinzip

Die Kunsthalle selbst hat - ähnlich wie auf dem Karlsplatz - wieder das Format eines Containers. Der Bau besteht teilweise aus Beton, teilweise aus Ziegel. Zwei übereinander liegende Ausstellungshallen mit insgesamt 1.700 Quadratmeter Nutzungsfläche sollen ein durchgehendes Ausstellungsprogramm ohne Unerbrechung ermöglichen. Das obere Stockwerk mit halbrunder Decke wurde von der auf solche Gegebenheiten spezialisierten Firma Zumtobel mit einem speziellen Beleuchtungssystem ausgestattet.

Funktion vor Strahlkraft

Wirft man einen Blick hinter das Gebäude, so erhält man den Eindruck von einer modernen Fabrikshalle. Das große Einfahrtstor zur Kunsthalle wirkt praktisch. Transportfahrzeuge können dort in einen geschützten Bereich einfahren, um ihr fragiles Gut abzuladen. Funktionalität hat hier wesentlich größere Bedeutung als auratische Strahlkraft nach außen, wie etwa in Bregenz, wo das von Peter Zumthor entworfene Kunsthaus fast skulpturalen Charakter hat. Wirkung nach außen ist durch die Fassade der ehemaligen Winterreithalle gegeben.

Let's have a party

Trotz großzügig dimensionierter Auststellungshallen ist absehbar, dass Büros und Verwaltung bald mehr Platz brauchen dürften als im Neubau vorgesehen ist. Eine Ausweitung in den so genannten Fischer-von-Erlach-Trakt scheint also absehbar. Ihre Eröffnung wird die Kunsthalle jedenfalls mit einer Großausstellung am 12. Juni feiern - unter dem fast ein wenig irreführenden Titel "Eine barocke Party".

Links:

Nerve
VB 35
VB 43
Biennale, 1997

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