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Hauptausgabe vom 03.07.2003 - Seite 008
LANDESGALERIE: Auch gefühlsmäßig stark beeindruckende Breustedt-Ausstellung im Wappensaal

"Weil mir das einfach so voll gut gefällt"

VON IRENE JUDMAYER

Es ist laut. Es wird gekreischt. Es wird gelacht. Gestritten. Und es werden kleine "Steine" aus kunterbuntem Glas auf den Boden gelegt. Unter Bilder. Bilder, die ich mir im Vorfeld eines Pressegesprächs zur aktuellen Ausstellung in der oö. Landesgalerie in Linz anschaue. Verursacher der lebhaften akustischen Untermalung sind die aufgeweckten Schüler der Volksschule Zell/ Pram. Sie bekommen soeben eine Sonderführung durch die Präsentation von Hans Joachim Breustedt, 1901 in Thüringen geboren, von 1945 bis 1978 in Oberösterreich lebend, 1984 in der Schweiz gestorben.

Warum er seinen Glasstein gerade unter das Bild "Gebirgslandschaft (1934)" gelegt habe, wird einer gefragt: "Weil mir das einfach so voll gut gefällt!" - seufzt er hingebungsvoll. Alle lauschen gespannt, als die Lehrerin erzählt, dass Breustedt ganz in ihrer Nähe gewohnt habe. In dem Haus mit dem Holzgeländer zwischen Taufkirchen und Sigharting. Mit seiner zweiten Frau, der Künstlerin Margret Bilger (²1971). Erst vor zwei Jahren wurde eine Mappe mit 200 Werken auf dem Dachboden gefunden.

Dann wurlt der begeisterte Kinderhaufen hinaus. Die Begeisterung ist rasch verstanden. Der am Bauhaus Weimar, bei Feininger und Paul Klee ausgebildete Künstler vermittelt auf einer höchst subtilen Ebene eine emotionale Unmittelbarkeit, die unentrinnbar beeindruckt.

Die geschickt arrangierte Auswahl von Bildern spiegelt ein für unser Jahrhundert typisches Künstlerschicksal wider. Auch den inneren Bruch durch den extrem menschenverachtenden 2. Weltkrieg, der Breustedt in besonders tragischer Weise traf: Ausgeschlossen aus der Reichskulturkammer wollte er mit seiner Frau, einer jüdischen Polin, auswandern. Der Krieg kam ihm zuvor, er wurde an die Front eingezogen, seine Frau im KZ Treblinka ermordet.

Die Werke beeindrucken einerseits durch hohe künstlerische Qualität, bewegen andererseits auch durch die "Flucht" in die Abstraktion. Erschütternd ist etwa das Bild "Kämpfende Männer" (1945). Ein archaisch anmutender, brodelnder Pulk von Speerträgern, deren Agression direkt aus dem Bild herauszustechen scheint.

Als wäre etwas in seinem Kopf zersplittert, in seinem Herzen zerrissen, präsentieren sich die folgenden Bildblicke auf Menschen. Als hätte Breustedt einen völlig neuen Rhythmus entwickeln müssen, so wirkt das Werk "Mann mit Kühen" aus dem Jahr 1950 oder die ornamentale Kraft von "König in Grau" (1969). Daneben Ansichten von Vöcklabruck (1948), dichte Kompositionen von Traunbrücke, Traunstein, von Häusergruppen.

Die in der Schweiz lebende Tochter hat die Arbeiten der Landesgalerie sehr günstig verkauft. Jeder, der die Bilder hier sehen kann, wird es ihr danken.

Bis 31. 8. Buch mit Werkverzeichnis: 10,50 Euro, Führungen: 0732 / 77 44 82.

Neben- wird Hauptsache

"Anderer" Blickwinkel

"Da geht es viel um Selbstwert, um Fortschritte in der Sozialisation, um Bestätigung" - Theresia Klaffenböck arbeitet als Mal- und Gestalttherapeutin im Haus St. Pius in Peuerbach, in dem derzeit 177 Menschen leben. Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Menschen, für die es nicht viel Schöneres gibt, als sich in den seit dem Jahr 2000 stattfindenden Workshops für Malen, Bildhauerei, Musik und Fotografie emotional "entladen" zu können.

Ergebnisse daraus, die unter Anleitung verschiedener Künstler entstanden sind, sind nun bis 31. August im Parterre der Landesgalerie zu sehen. In der sogenannten "Anderen Galerie", einer neuen Plattform, die behinderten Menschen die Möglichkeit bietet, sich im musealen Umfeld vorzustellen.

Wunderbare Throne gibt es da zu sehen, pointierte Bilder: "Da hat dann der Christian die Erika fotografiert" erzählt Klaffenböck: "und das musste alles genau stimmen."

"Andere" Blickwinkel, die erfrischend andere Sichtweisen bedingen und uns dadurch überraschen können. (irju)


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