Die viel zu kurze Nacht der Galerien
Von Silvia Matras
Wiener Galerien präsentierten ihre Neuerwerbungen.
Wien. An die 40 Galerien boten vergangene Woche Abendschwärmern bis 22 Uhr ein vielfältiges und qualitätsvolles Programm.
Fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit, ohne medialen Wirbel
und – leider – ganz ohne das übliche Brimborium der
"Lange-Nacht"-Veranstaltungen" zeigen Wiener Innenstadtgalerien dreimal
im Jahr Neuerwebungen. Diesmal ist trotz oder wegen der Krise ein Trend
zum Leistbaren festzustellen.
"Wer noch Geld hat, investiert in Kunst, weil sie nicht
börsenabhängig ist", stellt Veronika Schwarzinger, Inhaberin der
Galerie V&V am Bauernmarkt und Initiatorin des Galerierundganges,
fest und ortet Kauffreudigkeit beim Publikum.
Bei ihr geben einander mutige und kunstorientierte Frauen ein
Stelldichein. Die Schmuckkünstler, die sie ausstellt, sind provokant
und einfallsreich. So steckt "paula.paul", mit bürgerlichem Namen
Birgit Reiger, den Frauen Blumenringe, die verwelken oder aufblühen und
mit ihren Köpfen nicken, an die Hand. Wie das geht? – Ansehen und
anprobieren ist die Devise. Etwas konventioneller, aber dennoch
ungewöhnlich sind die gestrickten Glaskunstwerke von Blanka Šperková
oder die Granatbroschen von Petr Dvoøák, beides Künstler aus Tschechien.
Tierisch und kritisch
Tierisch kritisch und tierisch unernst geht es in der Galerie "Art
up" zu, die sich als Verkaufsplattform für junge Designkünstlerinnen
versteht. Vier Künstler der Kunstuniversität Linz mit Schwerpunkt
Keramik präsentieren Porzellan unter dem Titel "Animal utopial".
Norbert Ellinger punktet mit seinen Schafen im bunten Latexanzug,
Juliane Leitner mit comicartigen Tieren, die sich als Essig- und
Ölbehälter outen. InSook Park kreiert die "Hasenschildkröte" und Anna
Vladimirov überzieht Badewannenentlein mit lüsternem Glanz.
Die Newcomer unter den Sammlern möchte Michaela Hitzenberger in
ihrer Galerie in der Weihburggasse anlocken. Ihr Einstiegsangebot sind
preisgünstige Lithos von Alfred Kubin, Kokoschka oder Oskar Laske.
Im "betriebsraum" in der Grünangergasse malt und schreibt Renate
Lohrmann. Ihre Bilder sind Zeugnis der "Mein-Beschädigung" und
"Ich-Verletzung", wie sie den Zustand selbst nennt. Ein Zustand, in dem
sie sich vor jedem "Wellnessleben" hütet und bewusst alle
Sicherheitsgitter meidet. Deshalb sind ihre Menschen nackt, die
Genitalien offen den Verletzungen ausgesetzt, aber dennoch kraftvoll in
den Konturen.
Klassiker der Moderne
Ulrike Hrobsky zeigt in ihrer Galerie Aluminiumskulpturen der
deutschen Künstlerin Dee Sands. Diese sucht und findet Material und
Inspiration auf Industrieschrottplätzen. Die Abfallprodukte komprimiert
sie in einer alten Schrottpresse so, dass sie zwar die Grundformation
der Skulptur bestimmen kann, die Details und die Verformungen sich aber
ihrer Kontrolle entziehen. So entstehen spannende Material- und
Farbkompositionen.
Einem in Österreich lang unterschätzten Kunstmedium widmet sich die
Galerie Johannes Faber. Hier präsentiert man die Ikonen der
Schwarzweißfotografie vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart.
Bresson, Brassai, Robert Frank, Inge Morath, Man Ray – kurz alle großen
Namen der klassischen Moderne bis 1970 sind hier vertreten. Sie sind
nicht gerade um ein Butterbrot zu haben, aber auch nicht
unerschwinglich. Auch hier scheint das Motto zu lauten: Kunst muss/kann
leistbar sein.
Einen größeren Bekanntheitsgrad hätte sich diese Initiative auf
jeden Fall verdient, hilft sie doch die allgemeine Schwellenangst vor
der modernen Kunst abzubauen. Kontakte mit den anwesenden Künstlern
ergeben sich ganz automatisch. Fragen sind sogar erwünscht. Was fehlt,
ist ein wenig rund herum arrangierte Festlichkeit. Da und dort ein
Restaurant, das mitmacht, ein paar Kerzen oder was auch immer. Ähnliche
Events in Turin oder Chicago sind längst schon fixer Bestandteil der
Stadtkultur und gestalten sich zu gesellschaftlichen Ereignissen, die
häufig erst in den frühen Morgenstunden, und nicht wie in Wien um 22
Uhr, enden.
Printausgabe vom Mittwoch, 03. Juni 2009
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