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Galerien in Wien: Als die Dinge sprechen lernten

12.03.2008 | 18:29 | MANISHA JOTHADY (Die Presse)

„Unbestimmte Stellen“: Julien Bismuth zeigt bei layr:wüstenhagen, was ein Würfel alles kann.

Da standen sie, bitterlich weinend, ausgelassen lachend, dann wieder weinend, dann wieder lachend. Mit einem solchen Wechselbad der Gefühle leiteten zwei Schauspielerinnen am Eröffnungsabend „The saddest funniest sculpture in the world“ von Julien Bismuth ein. Zu dieser Arbeit inspirierten den 1973 in Paris geborenen Künstler mit Wahlheimat New York die tansanische Lachepidemie (1962). Ausgebrochen in einer Mädchenschule, hielt sie einen ganzen Landstrich tagelang außer Atem. Erst die Schließung der Schulen konnte die Ausbreitung des Lachens stoppen.

Zwei würfelförmige Holzpodeste, das eine rot, das andere gelb lackiert, fungierten als Bühne für die von Bismuth initiierten Emotionsausbrüche. Als reine Skulpturen wirken die knalligen Quader wie poppige Sitzmöbel. Mit der bunten Flaggenkette (1500Euro) – die nach Raymond Queneaus Buch „La Dimanche de la Vie“ („Sonntag des Lebens“) heißt – und dem Inkjetprint, der Form und Farbe des Fahnengebildes in die Fläche bannt, ergeben sie ein ansprechendes Arrangement, das in der Reduktion auf Primärfarben und geometrische Figuren wie Dreieck und Quadrat an Farb- und Formenlehre des Bauhausstils erinnert.


Der Quader sagt: „Tut mir leid“

Dass es Bismuth bei der Verschränkung von Skulptur und Performance immer um einen Brückenschlag zwischen Visuellem und Sprachlichem geht, demonstriert der weiße Quader: Aus ihm tönt, variantenreich intoniert, der Satz „Es tut mir leid“. Als müsste er sich dafür entschuldigen, nur das zu sein, was er ist: ein ansonsten recht unscheinbares farbloses Gebilde (4000Euro). Bismuths Beseelung der Dingwelt lässt einerseits entfernt an Erwin Wurm denken, der ja Häuser und Autos zum Sprechen bringt. Bei Bismuth fasziniert aber die formale Klarheit, ein Purismus, den man so bei Wurm nicht finden wird.

In Zeichnungen und Collagen operiert Bismuth mit Leerstellen bzw. „unbestimmten Stellen“ (so auch der Ausstellungstitel). Da ziehen einzelgängerische Figuren Farbstiftspuren auf dem blanken Blatt Papier, dort purzelt die nach Kollision mit dem Eisberg in Seenot geratene „Explorer“ aus dem Bildraum. Aus Illustrierten ausgeschnittene Figuren hinterlassen schattenhafte Umrisse, anderswo erobern sie den Bildraum. Auf die Bedeutungsmöglichkeit der Wörter „Stellen“ und „stellen“ will sich Bismuth mit diesen Arbeiten auf Papier (1500 bis 2800€) beziehen. Bei allem Charme wirken derlei Wortspielereien dann doch etwas plakativ. Subtiler gelingt die Grätsche zwischen Wort und Bild in einem Schriftbild, das sich mit den Meisterstücken konkreter Poesie messen kann.

Im Projektraum der Galerie, der „Garage“, zeigt der Amerikaner Lucas Ajemian (geb. 1975) eine Videoinstallation auf Collage- und Found-Footage-Basis. Er bearbeitet Zeitungsausschnitte, mixt aus dem alltäglichen Informationsmaterial ein Tohuwabohu der Bilderflut. Ein Bild jagt das andere. Und am Ende geht alles in die Brüche.
Bis 26.4., Wien 1, An der Hülben 2.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2008)


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