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Kunstberichte

Die in einer Villa untergebrachte Sammlung Bührle gehört zu den wichtigsten privaten Kunstkollektionen der Welt

Millionenbeute bei Kunstraub

Phantombilder gibt es noch nicht. Reproduktionen der Gemälde waren daher die einzigen Fahndungsfotos, die Sammlungsdirektor Lukas Gloor anbieten konnte.  Foto: reuters

Phantombilder gibt es noch nicht. Reproduktionen der Gemälde waren daher die einzigen Fahndungsfotos, die Sammlungsdirektor Lukas Gloor anbieten konnte. Foto: reuters

Von WZ-Korrespondent Steffen Klatt

Aufzählung Maskierte erbeuten bei Überfall in Zürich Gemälde im Wert von 110 Millionen Euro.
Aufzählung Bis jetzt keine Spur von den Tätern.

Zürich. Die Täter sind dreist vorgegangen: Am helllichten Tag drangen sie mit Pistolen in der Hand in die Sammlung Bührle im Zürcher Villenviertel Seefeld ein. Einer der drei maskierten Männer zwang die Anwesenden im Eingangsbereich, sich auf den Boden zu legen. Seine beiden Kollegen nahmen im Erdgeschoß vier Bilder an sich.

Anschließend verstauten sie die Gemälde in einem weißen Auto, das sie vor dem Museum geparkt hatten. Augenzeugen zufolge gingen sie dabei wenig sorgfältig vor. Die Ölgemälde, die zusammen einen Wert von rund 110 Millionen Euro haben, ragten aus dem Kofferraum. Bei den Bildern handelt es sich um Claude Monets "Mohnfeld bei Vétheuil", um Edgar Degas’ "Ludovic Lepic und seine Töchter", um Paul Cezannes "Knabe mit roter Weste sowie um Vincent van Goghs "Blühende Kastanienzweige".

Der Vorfall hatte sich bereits am Sonntagnachmittag ereignet, war aber erst am Montagvormittag bekannt geworden. Laut der Stadtpolizei Zürich sprach einer der Täter deutsch mit slawischem Akzent. Die Polizei hat für Hinweise, die zur Lösung des bisher größten Kunstraubes der Schweiz beitragen, eine Belohnung von 62.000 Euro ausgesetzt. Von den drei Tätern fehlt bisher aber jede Spur.

Bereits der zweite Raub

Die Sammlung E.G. Bührle ist eine der prächtigsten Privatsammlungen der Schweiz. Sie wurde vor allem in den 50er Jahren vom 1956 verstorbenen Zürcher Industriellen Emil Bührle zusammengetragen, dem Patron der Rüstungsfirma Oerlikon Bührle, heute OC Oerlikon. Der im deutschen Pforzheim geborene und erst in den 30er Jahren eingebürgerte Bührle hatte vor allem Gemälde des französischen Impressionismus und Nachimpressionismus gesammelt, daneben aber auch Werke anderer französischer Künstler. Hinzu kamen Werke von Maler des Goldenen Zeitalters in den Niederlanden und von italienischen Künstlern des 16. bis 18. Jahrhunderts. Nach dem Tod Bührles wurden rund 200 Bilder der Sammlung in die Stiftung E.G. Bührle eingebracht, welche die Werke öffentlich zugänglich machte.

Der Überfall auf die Sammlung Bührle ist bereits der zweite spektakuläre Kunstraub, der in den vergangenen zehn Tagen im Großraum Zürich verübt wurde. Erst am Mittwoch wurden aus einer Ausstellung in Pfäffikon am Zürcher See zwei Picassos im Wert von 3 Millionen Euro gestohlen. Der Besitzer der Bilder geht davon aus, dass Lösegelder erpresst werden sollen. Die zuständigen Kantonspolizeien können aber noch nicht sagen, ob zwischen den Kunstrauben in Pfäffikon und Zürich ein Zusammenhang besteht.

Aufzählung Wissen: Die größten Kunstdiebstähle

28. Februar 2007: Aus der Pariser Wohnung von Diana Widmaier-Picasso werden drei Gemälde ihres Großvaters im Wert von 50 Millionen Euro entwendet.

25. Februar 2006: Mitten im Karnevalstrubel stürmen Räuber das Chacara do Ceu Museum in Rio de Janeiro und flüchten mit vier Bildern von Picasso, Dali, Monet und Matisse (Wert: 40 Millionen Euro).

22. August 2004: Zwei Männer rauben die Edvard-Munch-Bilder "Der Schrei" (1994 schon einmal gestohlen) und "Madonna" – knapp 100 Millionen Euro Schätzwert – vor den Augen der Besucher aus dem Munch-Museum in Oslo. Sie tauchen erst zwei Jahre später wieder auf.

11. Mai 2003: In der Nacht stiehlt der Sicherheitsexperte Robert Mang die "Saliera" von Benvenute Cellini aus dem Wiener Kunsthistorischen Museum (Wert: 50 Millionen Euro). Im Jänner 2006 wird das Salzfass in einem Wald in Niederösterreich gefunden.

1995 bis 2001: Der Kunstdieb Stephane Breitwieser stiehlt in mehreren europäische Staaten insgesamt 239 Werke von zum Teil unschätzbarem Wert. Nach seiner Festnahme in der Schweiz wirft seine Mutter Teile der Beute in den Rhein-Rhone-Kanal und den Rest in den Müll.

Dezember 1994: Antike chinesische und jüdische Schriften im Wert von mindestens 262 Millionen Euro werden aus der Eremitage in St. Petersburg entwendet.

Montag, 11. Februar 2008


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