Salzburger Nachrichten am 05. Juni 2002 - Bereich: kultur
IM PROFIL
Okwui Enwezor


IM PROFIL

Okwui Enwezor

Die Überraschung war groß, als der aus Nigeria stammende Amerikaner Okwui Enwezor vor vier Jahren zum Chef der "documenta" berufen wurde. Die Hoffnung wuchs, die "documenta" als Weltkunstschau werde ihren Blick erstmals über Europa und den Westen hinaus auch auf die Kunst anderer Erdteile richten.

Enwezor machte schon bald klar, dass er es mit dem von ihm erwarteten Kurswechsel für die "documenta" ernst meinte. Der Westen sei zu einer instrumentalisierten Autorität in der Kunst geworden, bemängelte er. Die meisten der weltweit organisierten Ausstellungen moderner Kunst folgten den Regeln des Westens. Skeptiker, die eine Umwandlung der "documenta" in eine reine Afrika-Ausstellung fürchteten, beruhigte Enwezor jedoch schnell. Eine Ethno-Schau solle es in Kassel nicht geben. Ein knappes Jahr vor der Eröffnung begann Enwezor eine Serie von Diskussionsplattformen vor allem in bisher von der "documenta" vernachlässigten Erdteilen. Wissenschafter und Bürgerrechtler diskutierten im indischen Neu-Delhi, in Lagos (Nigeria), auf der Karibik-Insel St. Lucia sowie in Berlin und Wien über die Rahmenbedingungen künstlerischen Schaffens. Dennoch blieben ein grö-ßeres Echo auf die Plattformen, aber auch öffentliche Streitereien aus.

Den hohen Erwartungen gab Enwezor mit Bekanntgabe der Teilnehmer Ende April neue Nahrung. Von den 118 ausgewählten Künstlern und Künstlergruppen stammen gut 40 aus Afrika, Asien und Lateinamerika. "Kunst ist sehr unterschiedlich und nicht nur in einem Teil der Welt zuhause", meinte Enwezor.