Gestern, Donnerstag, war es so weit. Eines der vielen
gehüteten Geheimnisse der Documenta 11, die ab 8. Juni 100 Tage lang
in Kassel stattfindet, wurde gelüftet: Das junge Wiener Architekturbüro
Kühn-Malvezzi wird die Ausstellungsarchitektur entwerfen.
Vor einem Jahr haben sich die drei Architekten, die
beiden Deutschen Wilfried und sein Bruder Johannes Kühn sowie die
Mailänderin Simona Malvezzi, zusammengeschlossen. Als Standort wählten die
Mittdreißiger Wien. In nächster Zeit soll aber auch ein Büro in Berlin
eröffnet werden.
Im Dezember 2001 bekamen Kühn-Malvezzi den Auftrag der
Documenta. Im April muß die Architektur stehen. Wilfried Kühn: "Eigentlich
ist es von der Organisation her ein Museum, eine ganze Stadt, die wir
bauen. Es ist die weltgrößte Ausstellung zeitgenössischer Kunst."
Insgesamt stehen zwischen 14.000 und 16.000 Quadratmeter
Ausstellungsfläche zur Verfügung. Erstmals wird heuer auch ein
Industriebau bespielt, die ehemalige Binding-Brauerei am Kasseler Hafen.
"Das sind 7000 Quadratmeter über die normale Documenta-Ausstellungsfläche,
also die klassischen Orte Fridericianum, Documenta-Halle, Kulturbahnhof,
hinaus."
Erfahrung mit Ausstellungsarchitektur wurde schon
gesammelt: Für die Frankfurter Schirn-Kunsthalle, wo Kühn -Malvezzi schon
das Foyer neu geplant haben, wurde die laufende Schönberg-Ausstellung
gestaltet: "Wir haben einen abstrakten Raum gebildet, in dem die Bilder
wie eine Serie hängen. Diese Abstraktion ist unser Thema. Auch bei der
Documenta." Denn: " Die Architektur muß dadurch wirken, daß man sie nicht
sieht."
Wie geht man an die Architektur einer Ausstellung wie der
Documenta heran, in der etwa 100 Künstler ihren Platz finden sollen? "Wir
versuchen Architektur herzustellen, die so robust ist, im Detail so klar,
daß sie 100 Künstler aushält und diese sich nicht komplett von der
Architektur erdrückt fühlen - und sie erst wieder durch Einbauten
wegarbeiten müssen", so Kühn.
"Wenn man Räume zu spezifisch macht, schafft man
Maschinen, die nur funktionieren, solange man sie genau so einsetzt wie
vorgeschrieben. Dann legt man sie weg. Wenn man versucht, durch mobile
Elemente Multifunktion zu schaffen, entsteht nicht mehr Architektur,
sondern Chaos", meint Kühn. "Unsere Räume basieren auf der Idee, daß man
durch sie hindurchgehen kann. Keine Kunstmarkt-Architektur, wo man Kojen
anschaut."
Im ersten gemeinsamen Jahr plazierten sich die
Architekten bereits bewußt im Kulturbereich, sie sammeln auch selbst
zeitgenössische Kunst. Im vergangenen Jahr gestalteten sie etwa in Wien
die Galerie Senn, für das Schauspiel Hannover wird der Eingangsbereich neu
geplant. Zur Zeit wird auch am Foyer des Wiener Akademietheaters
gearbeitet, das im Sommer umgebaut wird.
Kühn: "Es geht uns um öffentliche, urbane Innenräume. Wir
versuchen mit extrem einfachen Standards modellhafte Orte zu schaffen. Sie
bleiben anonym und lassen sehr viel zu, weil sich so viele Leute dort
entfalten können."
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