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01.03.2002 - Ausstellung
Unsichtbare Architektur für die Documenta
Das Wiener Architekturbüro Kühn-Malvezzi wird die Architektur zur weltweit größten Ausstellung zeitgenössischer Kunst planen. Ein Gespräch.
VON ALMUTH SPIEGLER


Gestern, Donnerstag, war es so weit. Eines der vielen gehüteten Geheimnisse der Documenta 11, die ab 8. Juni 100 Tage lang in Kassel stattfindet, wurde gelüftet: Das junge Wiener Architekturbüro Kühn-Malvezzi wird die Ausstellungsarchitektur entwerfen.

Vor einem Jahr haben sich die drei Architekten, die beiden Deutschen Wilfried und sein Bruder Johannes Kühn sowie die Mailänderin Simona Malvezzi, zusammengeschlossen. Als Standort wählten die Mittdreißiger Wien. In nächster Zeit soll aber auch ein Büro in Berlin eröffnet werden.

Im Dezember 2001 bekamen Kühn-Malvezzi den Auftrag der Documenta. Im April muß die Architektur stehen. Wilfried Kühn: "Eigentlich ist es von der Organisation her ein Museum, eine ganze Stadt, die wir bauen. Es ist die weltgrößte Ausstellung zeitgenössischer Kunst."

Insgesamt stehen zwischen 14.000 und 16.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche zur Verfügung. Erstmals wird heuer auch ein Industriebau bespielt, die ehemalige Binding-Brauerei am Kasseler Hafen. "Das sind 7000 Quadratmeter über die normale Documenta-Ausstellungsfläche, also die klassischen Orte Fridericianum, Documenta-Halle, Kulturbahnhof, hinaus."

Erfahrung mit Ausstellungsarchitektur wurde schon gesammelt: Für die Frankfurter Schirn-Kunsthalle, wo Kühn -Malvezzi schon das Foyer neu geplant haben, wurde die laufende Schönberg-Ausstellung gestaltet: "Wir haben einen abstrakten Raum gebildet, in dem die Bilder wie eine Serie hängen. Diese Abstraktion ist unser Thema. Auch bei der Documenta." Denn: " Die Architektur muß dadurch wirken, daß man sie nicht sieht."

Wie geht man an die Architektur einer Ausstellung wie der Documenta heran, in der etwa 100 Künstler ihren Platz finden sollen? "Wir versuchen Architektur herzustellen, die so robust ist, im Detail so klar, daß sie 100 Künstler aushält und diese sich nicht komplett von der Architektur erdrückt fühlen - und sie erst wieder durch Einbauten wegarbeiten müssen", so Kühn.

"Wenn man Räume zu spezifisch macht, schafft man Maschinen, die nur funktionieren, solange man sie genau so einsetzt wie vorgeschrieben. Dann legt man sie weg. Wenn man versucht, durch mobile Elemente Multifunktion zu schaffen, entsteht nicht mehr Architektur, sondern Chaos", meint Kühn. "Unsere Räume basieren auf der Idee, daß man durch sie hindurchgehen kann. Keine Kunstmarkt-Architektur, wo man Kojen anschaut."

Im ersten gemeinsamen Jahr plazierten sich die Architekten bereits bewußt im Kulturbereich, sie sammeln auch selbst zeitgenössische Kunst. Im vergangenen Jahr gestalteten sie etwa in Wien die Galerie Senn, für das Schauspiel Hannover wird der Eingangsbereich neu geplant. Zur Zeit wird auch am Foyer des Wiener Akademietheaters gearbeitet, das im Sommer umgebaut wird.

Kühn: "Es geht uns um öffentliche, urbane Innenräume. Wir versuchen mit extrem einfachen Standards modellhafte Orte zu schaffen. Sie bleiben anonym und lassen sehr viel zu, weil sich so viele Leute dort entfalten können."



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