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Museumsquartier: Der sinnlose Tanz auf den Enzis

26.05.2011 | 18:31 | THOMAS KRAMAR (Die Presse)

Hubert Lepkas „Sofamaschine“ zum Zehn-Jahr-Jubiläum: ein typischer Fall von Spektakelkunst als Materialschlacht. Das Publikum quittierte die spektakuläreren Szenen mit Wohlwollen.

Am Ende hing ein Mann verkehrt am Haken des Krans, der eigens für diesen Abend im großen Hof des Museumsquartiers aufgestellt worden war. Das sah gut aus im Abendlicht, sehr spektakulär und ziemlich gefährlich auch. Aber auch ziemlich egal: Es hatte nichts zu tun mit dem restlichen Happening, das sich an diesem lauen Abend vor der schönen Kulisse der ehemaligen Winterreithalle abspielte.

„Sofamaschine“ hieß es, gestaltet hat es Hubert Lepka, von dem u.a. zwei „Klangwolken“ in Linz in Erinnerung sind, weil sie intelligenter, durchdachter waren, als es diese Massenevents für gewöhnlich sind. Und weil sie keine reinen Materialschlachten waren. Es krachte und blitzte zwar gehörig, aber nicht nur, damit es kracht und blitzt. Es war spektakulär, aber nicht beliebig.

Das war 2005 und 2010 in Linz. Im Wiener Museumsquartier hatte man nun genau den entgegengesetzten Eindruck. Da ging es munter zu. Da bewegten sich die als „Enzis“ geläufigen, im Alltag nicht motorisierten MQ-Möbel, da tanzten drei Damen im Barockkostüm auf diesen, da zeigten Frauen im kleinen Schwarzen ein wenig Haltungsturnen vor, da marschierte von links eine Blaskapelle ein, da hörte man spanische Barockmusik vom Band und blässlichen Britpop von einem Live-Duo. Und den Kran.

All das und wahrscheinlich noch ein bisserl mehr (alles zugleich konnte man kaum sehen) als Begleitprogramm zur Lesung aus dem fiktiven, aber rührenden Tagebuch einer Zofe der spanischen Infantin Margarita. Diese reiste 1666 nach Wien, um hier mit Kaiser LeopoldI. vermählt zu werden. Ihr zu Ehren ließ Leopold 1667 ein Pferdeballett aufführen, das hat Lepka offenbar zu seinem Tanz der Enzis inspiriert, den er stolz „performative Architektur“ nennt. Er widme sich dem Museumsquartier „in seiner architektonischen wie gesellschaftlichen Dimension“, las man ebenfalls auf dem Programmzettel, das klingt nach kulturwissenschaftlichem Seminar, heißt aber nicht viel.

 

Zeigen, was man sich leisten kann!

Das Publikum quittierte die spektakuläreren Szenen mit Wohlwollen, war aber ansonst eher unkonzentriert. Man kann es ihm nicht übel nehmen. Auf einem Rummelplatz muss man sich nicht konzentrieren, und diese Art von Performance gleicht einem Rummelplatz, auf dem halt aufgefahren wird, was Eindruck macht und was die Technik vermag. Und was das Budget hergibt: Das war in diesem Fall offenbar beträchtlich, schließlich kann sich eine Institution wie das Museumsquartier nicht lumpen lassen, da muss man sich schon einen Kran leisten, irgendwer findet sich schon, der sich eine semiotische Theorie ausdenkt, die erklärt, warum der zu einer Hochzeit des 17.Jahrhunderts passen soll.

Einen ähnlichen Fall von aufwendiger Spektakelkunst (ebenfalls vor auffällig unkonzentriertem Publikum) hatte man unlängst im Rahmen der Festwochen erlebt: bei der Freiluftaufführung der „Oresteïa“ von Iannis Xenakis auf dem Karlsplatz, inszeniert von Fura del Baus. Diese katalanische Theatergruppe ist seit vielen Jahren berühmt dafür, dass es in ihren Inszenierungen gehörig brennt und lodert, und so schossen am Teich vor der Karlskirche die Flammen wieder und wieder aus den Flammenwerfern. Ohne dass man irgendeinen Zusammenhang mit dem Stück, mit der schön-schroffen Musik von Xenakis oder mit dem Inhalt oder Sinn der Orestie erkennen konnte. So wird Inszenierung zur ebenso protzigen wie sinnfreien Leistungsschau, und alle gähnen performativ.


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