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02.03.2002 - Ausstellung
Bilder der Wahrheit aus den Weiten der russischen Seele
In der Kunsthalle Krems sind "Rußland: Repin und die Realisten" das Thema einer vom Russischen Museum St. Petersburg bestückten Ausstellung. Eine Kooperation mit der "Presse".
VON KRISTIAN SOTRIFFER


Da gibt es ein berühmtes, häufig wiedergegebenes Bild, das in die Ausstellung aber erst Anfang April eingeführt werden kann. Es vermittelt eine Stimmung des Aufbruchs, neuen Wollens und eines neuen Blicks auf das Leben einfacher Menschen. Für sie wollte man arbeiten, ihnen sollte Zuversicht eingeflößt, eine verlorengegangene Würde zurückgegeben werden. Die Zeit der Leibeigenschaft war vorüber.

Dieses Bild eines Bauernsohns, der sich zur bedeutendsten Figur des russischen Realismus im 19. Jahrhundert entwickeln sollte, hat eine eigene Geschichte. Sie geht zurück auf das Erlebnis Ilja Repins (1844 bis 1930) bei einem Ausflug an der Newa, vorbei an den Villen der Reichen mit blühenden Gärten.

Plötzlich trat da eine Schar von zerlumpten und verschwitzten Treidlern auf, die ein Schiff stromaufwärts schleppten.

Repin studierte ähnliche Erscheinungen an der Wolga, schuf Studien, die schließlich in einem großen, 1873 vollendeten Gemälde mündeten, das dann auch gleich auf der Wiener Weltausstellung gezeigt werden sollte: "Die Wolgatreidler". Die Kunst höre auf, ein Geheimnis zu sein, sie anerkenne das Recht aller, "über die von ihr vollbrachten Heldentaten zu urteilen". So schrieb der Dichter M.J. Saltykow-Stschadrin anläßlich einer Ausstellung der "Wandermaler", der "Peredwischniki".

Die hatten sich 1870 zusammengeschlossen. Ihr ideeller Führer, der in der Ausstellung mit dem Porträt eines der Begründer russischer Landschaftsmalerei, Iwan Schischkin, vertreten ist, war Iwan Kramsoki. Seine Kollegen rief er dazu auf, "von den Bedürfnissen des Volkes" und dem Einvernehmen mit dessen inneren Gefühlen zu lernen. Neue Bildgegenstände traten in der stufenweise erfolgten Entwicklung eines Gegenpols zu den französischen Impressionisten auf.

Die zeigten sich im Pariser "Salon des Refusés", der Abgewiesenen also, im selben Jahr 1867, als in St. Petersburg Proteste gegen die dort erfolgte akademische Ausbildung laut wurden. Aus ihnen ging jene "Genossenschaft für Wanderausstellungen" hervor, der sich Ilja Repin 1878 angeschlossen hatte.

Noch ohne Liebedienerei

Alexander Herzen munterte seine malenden Landsleute aus dem Exil heraus auf: Rußlands weite Natur berge etwas in sich, "das im russischen Lied erklingt" und seinen Widerhall "tief im russischen Herzen" finde. Schischkin, der diese Natur neben anderen darstellte, notierte auf der Rückseite eines seiner Bilder: "Weite, Raum, Waldungen, Roggen, Gottes Segen".

Davon wollten auch die anderen erzählen, etwa von Begebenheiten bei festlichen Anlässen oder aus dem Alltagsleben. Von der Theatralik des späteren "Sozialistischen Realismus" und seiner Liebedienerei war dabei noch keine Rede. Malerische Finessen und Originalität, ästhetische Ansprüche bleiben nicht ausgeschlossen, wie etwa auch Archip Kuindshis Stimmungsbilder bezeugen.

Repins 1903 entstandenes Gemälde "Welch eine Weite" wirbt für die Ausstellung. Es zeigt ein junges Paar inmitten aufgischtender Meereswellen - gedeutet als Allegorie auf die russische Jugend, "die dem über sie gekommenen Unheil zum Trotz ihre freudige Zuversicht nicht eingebüßt" habe.

Erstmals, so die Veranstalter, werde die Kunst russischer Realisten in Österreich repräsentativ vorgestellt. Die Wanderkünstler und jener, der die "menschliche Seele, das Drama des Lebens" darzustellen suchte, Repin also, waren aber bereits im Jahr 1976 in der Österreichischen Galerie umfassender mit rund hundert (jetzt insgesamt 55) Werken aus der Moskauer Tretjakow-Galerie vertreten. Die Mischung ist jetzt allerdings eine andere.

Bis 2. Juni, tägl. 10 bis 18 Uhr.

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