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Festival der Regionen: Mikrobereich der Weltverbesserer

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Hattinger sieht stets aus, als hecke er etwas aus.   Bild: Weihbold

„Umsteigen“ heißt das Motto, unter dem das „Festival der Regionen“ ab 22. Juni eine künstlerische Invasion in Attnang-Puchheim plant. Gottfried Hattinger ist künstlerischer Leiter des Festivals und Kulturarbeiter mit blendendem Ruf. Heute (19 Uhr) wird er im „Forum Dialog“ der Linzer Kunstuni von seiner Arbeit berichten.

OÖN: Warum heißt Ihr heutiger Vortrag „Arbeitsbiographie eines ewigen Dilettanten“?

Hattinger: Ich bin in so vielen Arbeitsfeldern tätig und nirgends studierter Experte. Aus einer akademischen Sicht kann man also sagen, dass ich ein Dilettant bin – zugleich aber auch Lernender, ewiger Student. Das ist auch ein gewisses Understatement, das mir mehr liegt, als ständig auf der Bühne zu stehen. Ich finde ohnehin, dass Kuratoren in die Kulisse gehören und nicht ins Rampenlicht.

OÖN: Friedrich Schiller schrieb über den Dilettanten, er sei ein „Fertiger ohne Poesie“.

Hattinger: Das kann ich so nicht gelten lassen (lacht), weil es für mich umgekehrt stimmt. Ich hab’ eine freiere Sicht auf die Dinge und benütze die Wissenschaft, ohne selbst Wissenschaftler zu sein. Insofern ist es ein parasitäres Verhältnis. Es ist besser, Dinge aus anderen Blickwinkeln zu betrachten als von einem geschulten und studierten.

OÖN: Für das Festival der Regionen mussten Sie aus 440 Projekt-Einreichungen auswählen. Sind Sie auf neue Problemstellungen von Attnang-Puchheim gestoßen?

Hattinger: Das war für mich eine völlig neue Arbeitsweise. Es hat ja keinen Sinn, einen Ort auszusuchen und dort ein Kunstding hinzusetzen. Das würde dann wie eine Faschingsnase sitzen, die nach zehn Tagen wieder weg ist. Die Strategie ist, Dinge zu gestalten, die mit der Stadt zu tun haben, mit der Geschichte, mit dem sozialen Umfeld, mit aktuellen Problemen. Ich möchte es partizipatorisch entwickeln, und es sind so erfreulich viele, die sich daran beteiligen. Es gibt einen relativ hohen Migrantenanteil (17 Prozent, Anm.) oder Jugendprobleme, auf die wir reagieren wollen. Am Mittwoch bin ich etwa beim Arbeitsmarktservice in Vöcklabruck, weil wir arbeitslose Jugendliche engagieren möchten. Es kommt gar nicht darauf an, ob die Jugendlichen im Aufbaubetrieb effizient sind, sondern sie sollen in die Festivalfamilie integriert werden und eine andere Welt kennenlernen.

OÖN: Wie bewerten Sie das Selbstwertgefühl der Menschen in Attnang-Puchheim, das ja schon von Qualtinger im Bundesbahn-Blues geprügelt wurde?

Hattinger: Das war mit ein Grund, warum ich dorthin gegangen bin. Niemand sagt etwas Gutes über die Stadt. Das hat mich interessiert. Dort steigen jeden Tag 7000 Menschen um, die wenigsten steigen dort aus. Deshalb das Thema „Umsteigen“, das nicht nur den Gang von einem Zug in den nächsten beschreibt, sondern es soll ein mentales Umsteigen werden, indem wir uns mit anderen Welten beschäftigen. Ich war darauf eingestellt, viel Überzeugungsarbeit leisten zu müssen, aber diese Ahnung hat sich nicht bewahrheitet. Jeder zieht mit, der Bürgermeister, der Gemeinderat, die Menschen in der Stadt, es gab keine politischen Wünsche, keine Einschränkungen, keine Bitten, ich habe dort sehr tolle Menschen kennengelernt. Dabei wird es eine Invasion sein, die in diesen zehn Tagen für die Menschen daherkommt.

OÖN: Was kann Kunst in Attnang-Puchheim bewirken?

Hattinger: Ich falle bei dieser Frage in meine eigene Kindheit zurück. Bei uns daheim hat es nur zwei Bücher gegeben: den Katechismus – nicht einmal eine Bibel –, und das zweite hieß „Der Kanzler von Tirol“. Ich war früh eine Leseratte, zuerst kam die Literatur, erst dann die Kunst. Über Literatur hab’ ich erfahren, dass es eine andere Welt gibt. Wenn man wie ich im Hausruckwald aufgewachsen ist, wo wenig gesprochen wird und das Gesichtsfeld eng ist, dann merkt man plötzlich, was da alles noch ist. Das einzulösen, verlange ich von der Kunst: eine andere Sicht – mit intellektueller Wärme. Was ich ablehne, ist das Missionarische, das Aufklärerische, das Aufgesetzte. Trotzdem: Im Kulturbetrieb arbeiten wir im Mikrobereich der Weltverbesserer, das darf man nie vergessen.

OÖN: Wie denken Sie darüber, dass der Innovationstopf der Kulturplattform Oberösterreichs nach Einsparungen des Landes nur mehr alle zwei Jahre, alternierend mit dem Festival der Regionen, stattfindet?

Hattinger: Das habe ich weder verfolgt noch analysiert. Das Handicap, das ich als künstlerischer Leiter spüre, ist, dass wir budgetär auf das Niveau von 1996 zurückgefallen sind. Wir haben ein operatives Budget von 350.000 Euro, im Jahr von Linz09 war es das Dreifache.

 

Zur Person: Gottfried Hattinger

Hattinger wurde 1950 in Geboltskirchen geboren, studierte an der Linzer Kunstschule Schrift- und Buchgrafik, freie Grafik und Kunstgeschichte. Von 1987 bis 1991 war er künstlerischer Leiter des Linzer Festivals „ars electronica“, seitdem arbeitet er als freischaffender Kurator (Theaterbiennale Spielart/München, Klangraum Krems, Wiener Künstlerhaus: Space Inventions – Der künstliche Raum) und Buchdesigner. Außerdem ist er Mitherausgeber des Kunstjahrbuches „kursiv“.

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