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Heller: „Das Lob war nicht gratis“

Nach einem Monat Kulturhauptstadt Linz09 zog Intendant Martin Heller im OÖN- Interview Zwischenbilanz.

OÖN: Was steht nach einem Monat Kulturhauptstadt auf Ihrer Haben- und was auf der Soll-Seite?

Heller: Im Soll stehen weitere elf Monate, die zu füllen sind, und auf der Haben-Seite gibt es die Befriedigung darüber, dass vieles gut angelaufen ist, dass wir viele positive Reaktionen auf Formate, Spielorte und Produktionen im In- und Ausland haben. Dieses Lob war nicht gratis, dafür mussten wir arbeiten. Noch im November hätte ich es von Linz nicht geglaubt, dass etwa beim Kepler-Salon 200 Besucher zwei Stunden lang stehen, damit sie die Veranstaltung nicht verpassen. Viele behaupten, dass sie ein auf diese Art gemischtes Publikum in Linz noch nie gesehen haben. Gemischtes Publikum ist immer ein Schlüssel zu Breitenwirkung und zu Erfolg.

OÖN: Auf der Soll-Seite bleiben tatsächlich nur die noch kommenden elf Monate übrig?

Heller: Natürlich, aber es stellt sich ohnehin Woche für Woche die Frage, ob wir Linz09 optimal gestalten. Jetzt wird das Programm dichter, und auch ich muss mich dann an manchen Abenden fragen, auf welche von drei Veranstaltungen ich gehe. Das war bisher nicht der Fall. Wir müssen nichts grundsätzlich verbessern, aber ständig gibt es Dinge zu optimieren.

OÖN: Etliche Theater-Produktionen von Linz09 werden nur zwei-, dreimal aufgeführt. Trauen Sie Ihren eigenen Produktionen nicht?

Heller: Traditionelle Festivals haben Erfahrungen, der Intendant ist für mehrere Jahre verpflichtet, er kennt sein Publikum bei Schlechtwetter und bei Sonnenschein, er kennt die Mitbewerber in der Stadt. Dort wird mit bekannten Größen gearbeitet. Wir hatten es schwerer. Es gab einen neuen Spielort (Hafenhalle, Anm.), es gab in Linz noch nie ein Theaterfestival für Erwachsene dieser Art, noch dazu in der Ballsaison – da ist man unsicher und lieber auf der sicheren Seite. Wir haben die Veranstaltungen so programmiert, dass wir den guten Besuch halten konnten. Auf der anderen Seite möchten wir so viel Innovation und Anschauungsmöglichkeiten wie möglich bieten.

OÖN: Trotzdem haben Produktionen wie „Das Buch der Unruhe“ mit Klaus Maria Brandauer oder die Schauspieloper „Fouché“ zwischen 350.000 und 500.000 Euro gekostet, warum wurden sie nicht öfter gespielt?

Heller: Wir sind kein Ensembletheater, bei Brandauer hätten wir die Produktion für mehr Vorstellungen gar nicht zusammenhalten können.

OÖN: Für „Fouché“ – als Linz09-Produktion insofern bemerkenswert, als ein Auftragswerk eines Komponisten von Weltruf mit regionalen Künstlern umgesetzt wurde – gilt dieses Argument nicht.

Heller: Bei Fouché sind durch das Bühnenbild viele Plätze weggefallen, und die gleiche Anzahl von Vorstellungen mit 500 Leuten hätte vielleicht ganz anders ausgesehen. Ich bin nicht überzeugt, ob wir mehrere Abende auch voll bekommen hätten. Außerdem ist man nach einer Premiere immer klüger.

OÖN: Ist Linz09 so flexibel, besonders erfolgreiche Produktionen im Laufe des Jahres erneut aufzuführen?

Heller: Das weiß ich nicht, bei Fouché werden wir darüber reden. Die Ausstellung „Kulturhauptstadt des Führers“ haben wir schon um eine Woche verlängert, das klingt für den Besucher nicht viel, aber für das Museum ist es ein riesiger Aufwand. Das bedeutet etwa, dass die Vorbereitungszeit für die nächste Ausstellung um eine Woche kürzer wird. Wo es geht, versuchen wir ständig, zu reagieren. Wie auch jetzt mit dem Streitgespräch zur Ausstellung „Best of Austria“. Darüber freue ich mich, weil es endlich eine Debatte über Kunst gibt.

OÖN: Haben Sie sich also die Hände gerieben, als „Best of Austria“ zwischen den Polen „geniale Schau“ und „Provinzposse“ bewertet wurde?

Heller: Nein, das kann man nie planen. So etwas ereignet sich. Man wird davon überrascht, ob eine Ausstellung den Nerv trifft. Eine Ausstellung wie diese, die etwas behauptet und deshalb angreifbar ist, bietet sich natürlich an. Sie hat auch etwas mit der Akzeptanz von Linz zu tun. Sie sagt: Wie sieht Wien dieses Linz? Wie das Burgenland, wie Tirol? Und was verschenken sie in die Stadt auf Zeit? Es war klar, dass diese Zeichen unterschiedlich gelesen werden, und ich finde es großartig, dass sich die Menschen dazu äußern.

OÖN: Die Begehrlichkeit nach dieser Hafenhalle wurde mit dem regen Besuch rasch bestätigt, wie stehen die Chancen, diesen Veranstaltungsort über 2009 hinaus zu erhalten?

Heller: Da mache ich mir jetzt noch gar keine Gedanken. Ich war auch beim Kepler-Salon deutlich, wo noch vor der Eröffnung schon über Nachhaltigkeit gesprochen wurde. Ich bin der Erste, mit dem man über dieses Thema reden kann, aber man sollte doch erst einmal das Jahr ins Land ziehen lassen und beobachten, ob diese Spielorte auch dauerhaft angenommen werden. Begehrlichkeiten wachsen relativ schnell, für die Feststellung, ob diese im täglichen Leben auch wichtig sind, dauert das länger.

OÖN: Es geht zwar nicht um Sympathiewerte von Martin Heller, aber wie hat sich Ihr Bild in der Öffentlichkeit verändert?

Heller: Ich werde jetzt mehr gegrüßt. Ich bemühe mich auch, alle Reaktionen zu beantworten. Ich sehe die Fragen, und die Antworten gehen in meinem Namen raus. Das wäre auch eine Möglichkeit für alle, von den Reaktionen zu lernen. Wenn es etwa heißt, das Schild zur Hafenhalle ist schlecht beleuchtet, dann ist das nicht unser Schild, sondern jenes der Stadt.

OÖN: Warum kommt Linz in der Betrachtung ausländischer Medien trotz aller Bemühungen von seinen Klischees nicht weg?

Heller: Das Wegkommen von Klischees bedingt, dass sie überhaupt genannt werden. Vorher hat man weder über Linz noch über seine Klischees gesprochen. Wenn man sich das aktuelle Merian-Heft ansieht, dann steht Linz als Geburt einer Kulturmetropole da, die letzte Linz-Erwähnung bei Merian 20 Jahre vorher war nur mit rauchenden Schloten bebildert. Linz versucht nicht bloß, sein Image zu verbessern, sondern es hat seine Substanz verändert. Die Stahlstadt war kein Klischee, sondern die Realität, aber inzwischen ist diese Realität eine andere geworden.

OÖN: Wirkt sich die Finanzkrise auf Linz09 aus?

Heller: Im Moment glaubt noch niemand so richtig daran, dass die Krise auch zuschlägt. In Österreich ist man auch noch relativ privilegiert, abgesehen von der Kurzarbeit. Noch schlägt sich diese Krise nicht auf unsere Budgets nieder, was verheerend wäre. Aber vielleicht stellt sich im Laufe dieses Jahres auch noch die Frage, warum Kultur in schwierigen Zeiten eine Rolle spielt. Es kann auch sein, dass sich die Finanzkrise beim Tourismus niederschlägt, obwohl ich es ohnehin für naiv halte, wenn sich Linz jetzt auf einen Ansturm der Touristen vorbereitet. Das klingt so, als wäre halb Europa in den Startlöchern, Linz zu stürmen, und wir würden das zitternd erwarten. Das ist neben der Realität. Realität ist, dass wir gerne Gäste haben möchten.

OÖN: Ist es frivol, sich als Künstler eine Krise zu wünschen, weil aus der Krise etwas Spannendes geboren wird?

Heller: Das ist frivol. In der Schweiz gab es diese Meinung, dass es uns zu gut geht und es wieder einmal einer Reinigung bedürfe, wie nach einer Fastenzeit. Es gehört doch zur Pflicht einer Gesellschaft, der es so gut geht wie unserer, dass wir dem Leben einen Sinn geben, obwohl und weil es uns gut geht. Krisenflirt zu betreiben, ist jenseits von Gut und Böse.

OÖN: Vilnius, die zweite europäische Kulturhauptstadt 2009, hat riesige Budgetprobleme, nach der Insolvenz der Fluglinie bangt die Stadt zudem um Besucher. Beschädigen solche Schwierigkeiten die Marke Kulturhauptstadt?

Heller: Die Marke ist unbeschädigt, und die Motivation der Regierungen, eine Kulturhauptstadt im Land zu haben, ist ungebrochen. Man muss es nur besser machen.

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