Salzburger Nachrichten am 22. September 2006 - Bereich: Kultur
Besessenes Malen gegen die Zeit

In der Wiener Albertina wird erstmals in Österreich das Werk von Pablo Picasso aus dem letzten Lebensjahrzehnt gezeigt. Die Schau ist bis 7. Jänner 2007 zu sehen.

ERNST P. STROBLWIEN (SN). Das Dorf Mougins bei Cannes hat in jüngster Zeit einen unrühmlichen Namen erhalten als Nobelort für Generaldirektoren. Dass Pablo Picasso dort seine letzten zwölf Jahre verbracht hat, ist allerdings viel wichtiger als tagesaktuelle Berichterstattung über die Möglichkeiten, wie man seinen Reichtum verbrauchen kann. Im speziellen Fall betrifft das die Ausstellung in der Albertina, wo von heute, Freitag, bis 7. Jänner 2007 das Werk Picassos aus seinen letzten Lebensjahren gezeigt wird.

Die Albertina ist dafür wieder um ein Stück "gewachsen". Das einnehmende Wesen des Direktors Klaus-Albrecht Schröder veranlasste das Mäzen-Ehepaar Jeanne und Donald Kahn, seine Wohltaten über Salzburg hinaus auszuweiten. Rund 700 Quadratmeter im Obergeschoß sind nun als "The Jeanne & Donald Kahn Galleries" hinzugekommen.

"Malen gegen die Zeit" nennt der Kurator Werner Spies die Schau mit rund 200 Werken, die das Alterswerk erstmals in Österreich im Zusammenhang präsentiert. Picasso malte wie ein Besessener gegen den Ablauf der Lebenszeit an, ohne dass Altern oder Verfall bemerkbar wären. Es sind nicht "Schmierereien aus dem Vorzimmer des Todes", wie bösartige Zeitgenossen die Bilderflut damals nannten, sondern beeindruckend vitale Bilder, in denen das Alter keine Kategorie bildet.

Spies hat anschaulich zwei parallele Welten in der Ausstellung nebeneinander gestellt. Da ist die Malerei, die in Zeiten entstand, als bereits die Konzeptkunst oder Pop-Art auf dem Vormarsch waren. Expressiv wilde, explizit sexuelle Bilder und die scheinbare Auflösung der Form verunsichern wohl auch heute noch. Daneben stehen das grafische Werk und die Zeichnungen aus dieser Zeit, die wiederum die hohe Präzision wiedergeben und die Meisterschaft, mit der Picasso dem realen Lebensalter trotzte. Spies, der Picasso noch selbst kennen gelernt und in seiner Zeit als Direktor des Centre Pompidou 1997 bis 2000 und darüber hinaus Ausstellungen rund um Picasso organisiert hat, legt bei dieser Gegenüberstellung von furioser Malerei und akribisch erzählfreudiger Grafik Wert darauf zu zeigen, dass den Künstler eine panische Angst vor dem allerletzten Lebensabschnitt gequält hat. Picasso teilte seine Arbeitszeit pro Werk in gleiche Abschnitte, sei es bei kleinen Grafiken oder bei monumentalen Gemälden.

Der Rundgang beginnt mit dem Umzug von Picasso nach Mougins 1960 und mit Paraphrasen zu Manets "Frühstück im Freien". Die Bilderserie "Der Maler und sein Modell" zeigt einen existenziellen Konflikt zwischen Kunst und Leben, zwischen Realität und Illusion. Bei Akten wiederum sprengt Picasso die Formate, und als Inbegriff des Mannes finden sich Toreros.

Die Druckgrafik wird an Hand zweier "Suiten" präsentiert, und auch hier kreist alles um Erotik und Sexualität. Witzig ist der Zyklus "Degas im Bordell", der den Malerkollegen aufs Korn nimmt. Klappskulpturen runden das Bild eines bis zuletzt von explosiver Kreativität getriebenen Künstlers ab. Die Kraft dieser Kunst vermittelt sich unmittelbar, und wenn Picasso ob dieser Dominanz als "bestgehasster Künstler seiner Zeit" gilt, der nun sogar über den Tod hinaus "die Welt beherrscht", wird das in dieser phänomenalen Schau spürbar.Information: Geöffnet tgl. von 10-18 Uhr, Mi. 10-21 Uhr .www.albertina.at