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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
08. März 2006
12:19 MEZ
Von Margarete Affenzeller

Ausführliches zum Festival auf dieStandard.at 
Foto: Festival/Sheilagh O'Neil
Besieht mittels Spiegel jenen Körper, in dem das Tanzvergnügen wild haust: Karen Bernard aus Philadelphia zu Gast beim Wiener Frauenkunstfestival.

Gläsernes Volk, kleidsame Frau
Zum Eröffnungswochenende von "her position in transition"

Wien – Das von Barbara Klein und Margit Niederhuber konzipierte internationale Frauenkunstfestival her position in transition im Wiener Bezirk Neubau ist ein fürsorglich positioniertes Instrument zur Blickverschiebung. Das auf zwei Wochen rund um den Internationalen Frauentag anberaumte Festival richtet sein Wohlwollen gezielt auf die Kunst von Frauen. Theater- und Tanzperformances, bildende Kunst, Musik und – nicht zu vergessen – Theorie.

Frauenkunst – in jeder Hinsicht freilich als Hilfsbegriff gedacht – meint am allerwenigsten Kunst für Frauen, auch wenn es am Eröffnungswochenende im Publikum so ausgesehen haben mag. Bei den Veranstaltungen in der Roten Bar des Volkstheaters, in der Fleischerei oder im Gassenlokal der Kommunalinitiative Wolke 7 war männliche Zuseher- und -hörerschaft dann doch rar gesät. Ein nachvollziehbares Phänomen, dessen Ursache wohl hauptsächlich in der Namensnennung liegt. Denn, ehrlich: Wie viele Frauen würden schon eine als Männerkunstfestival titulierte Veranstaltungsreihe besuchen? Immerhin: Genug Publikum war vorhanden.

Den Anfang machte am Samstag, vor der feierlichen Eröffnung mit Valie Export im Kosmostheater, die amerikanische Performancekünstlerin Toni Silver. Gemeinsam mit Joseph Shahadi führte sie den im Zuge der Terrorbekämpfung vom US-amerikanischen Kongress wenige Wochen nach dem 11. September 2001 verabschiedeten "Patriot Act" ad absurdum. Ein herrlich "geschlechtsloses" Programm, das in sechzig kurzweiligen Minuten Fallbeispiele dieses die amerikanischen Bürgerrechte massiv einschränkenden Gesetzesagglomerats vorexerziert.

Mit lustig-traurig stilisierten Clowngesichtern werden conferierend die Widersprüche zur Verfassung ausgeforscht und nachhaltig gestikulierend von einem Catwalk ans Publikum herabgegeben.

Lacher gibt's nicht nur dann, wenn – was offenbar erlaubt wäre – bei einer Ärztin nach den gynäkologischen Daten der letzten fünf Jahre von Angelina Jolie gefragt wird. Wohlgemerkt, um jeglicher Form von Terrorismus vorzubeugen! Eine vor allem politisches Bewusstsein bildende Intervention über das gläserne Volk von morgen.

Eine Art Proseminar in Gender-Theorien hielt die Dänin Lise Skou in der Wolke 7 der Wiener Kaiserstraße: This Is A Story Of A Woman Who ... Mit einem Satz schriftlich gestellter Fragen zu den Themen Geschlechter- und Identitätskonstruktionen (z. B. Was ist privat? Was ist Kultur?) animierte sie die anwesende Zuhörerinnenschaft zum individuellen Antworten. Das Nachdenken und Sprechen wurde dabei durch videotechnische Transformation (von Jee-Eun Kim) als Prozess öffentlich gemacht und präzisiert.

Karen Bernards halbstündige Darbietung in der Plüschbühne der Roten Bar im Volkstheater – Removed Exposure – befragte mit Spiegelkontrollen sowie Ver- und Entkleiden jenen Körper (ihren eigenen), in dem das Tanzvergnügen wild haust. Die aus Philadelphia gebürtige, durchaus beleibte Frau tanzte frei zu Cher und verloste auch noch zehn Euro. Ein hinreißender Zugang.

her position in transition negiert Kunst als den großen Wurf. Und kultiviert sie – der amerikanischen Performancetradition folgend – als unprätentiös handhabbare, punktuell einsetzbare, vielleicht allzu minimalistische Intervention. (DER STANDARD, Printausgabe, 07.03.2006)


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