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29.12.2005 - Kultur&Medien / Medien
Erregung um "25 Peaces"-Plakate: "Kein Steuergeld für Plakat-Sujets"
Die EU-Plakate-Aktion von "25 Peaces" entwickelt sich zur innenpolitischen Erregung. Die SPÖ kritisiert die Förderung von 500.000 Euro. Die Finanzierung des Projekts erfolgt aber laut Bundeskanzleramt "durch ein externes Sponsoring eines Unternehmens".

Der innenpolitische Wirbel rund um die EU-Plakat-Aktion von "25 Peaces" ging am Donnerstag munter weiter: SP-Klubobmann Josef Cap bezichtigte Bundeskanzler Schüssel, in Zusammenhang mit der unter dem Titel "Pornoplakate" diskutierten Affäre bewusst die Unwahrheit zu sagen. Es habe, nicht wie bisher zugegeben, eine Million Euro an Förderung für "25 Peaces" gegeben, sondern 1,5 Millionen Euro, davon zweckgewidmet eine halbe Million für die Aktion. Als Beweis dafür legte Cap Donnerstag in einer Pressekonferenz eine Kopie des ihm zugespielten Fördervertrages des Bundeskanzleramtes vor. Cap kritisiert den sorglosen Umgang des Bundeskanzlers mit Steuergeldern für eine missglückte Marketingkampagne.

"Der Kanzler versucht zwar, das Unschuldslämmchen zu mimen, die Indizien deuten aber darauf hin, daß er über die skandalösen EU-Porno-Plakate wesentlich besser Bescheid wußte, als er zugibt", sagte FP-Generalsekretär Herbert Kickl. Schüssel sei möglicherweise eher ein Auftraggeber denn ein "Stopper" dieser Aktion. Dem Vernehmen nach habe das Bundeskanzleramt für diese Aktion nämlich bereits 500.000 Euro überwiesen. "Bei einer solchen Summe muß man davon ausgehen, daß der Kanzler die Sujets gekannt hat", meinte Kickl. "Oder er läßt Gelder überweisen für etwas, das er gar nicht kennt. 

Die Finanzierung des Projekts "Peace gerollt" mit den umstrittenen Plakaten erfolgt laut Bundeskanzleramt "durch ein externes Sponsoring eines Unternehmens". Diese Mittel seien vom Bundeskanzleramt verwaltet und an die Projektwerber ausbezahlt worden, heißt es in einer Aussendung des Kanzleramtes. "Es wird für die inkriminierten Plakat-Sujets kein Steuergeld geben".

ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka warf Cap indessen "Scheinheiligkeit" vor. Sein Vorwurf des leichtfertigen Umgangs mit Steuergeldern gehe zudem ins Leere, so Lopatka. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel habe klar und deutlich gesagt, dass es kein Steuergeld für die kritisierten Sujets geben wird.

Morak: "Themenverfehlung"

Kunststaatssekretär Franz Morak (VP) bezeichnete die umstrittenen EU-Plakate als "nicht dazu angetan, den Menschen die EU zu vermitteln", und sie seien daher als "Werbeprojekt zum Thema EU" eine "Themenverfehlung". Die Plakate seien "die Menschenwürde verletzend" sowie "sexistisch".

FPÖ verlangt Rücktritt Springers

Die FPÖ verlangt den Rücktritt von Georg Springer als Geschäftsführer der Bundestheater-Holding. Springer hat gemeinsam mit "Graz 2003"-Macher Wolfgang Lorenz die Projektreihe zum Jubiläumsjahr 2005 "25 Peaces" gestaltet, in deren Rahmen die umstrittene EU-Plakatserie "Peace gerollt" der unter den Namen "euroPART" zusammengefassten 75 Künstler aus ganz Europa veröffentlicht wurde.

>>Diashow: Auswahl von Plakat-Sujets

"Den Vorwurf der Pornografie im Zusammenhang mit diesen frauenfeindlichen und sexistischen Plakaten hat Springer mit dem Argument zurückgewiesen, dass man Schiele ja auch nicht als Pornografen bezeichnen würde. Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen den Plakaten von euroPART und den Werken Schieles. Wer einen solchen Zusammenhang herstellt, der sollte nicht für die Bundestheater an führender Stelle tätig sein", meinte FPÖ-Vizeparteiobmann Norbert Hofer.

Springer trage auch "für das blutige Nitsch-Spektakel im Burgtheater" die Verantwortung und habe offenbar "eine besondere Neigung was diese Form von Kunst" betreffe, so Hofer, dessen Partei "zur Freiheit der Kunst steht", wie er meint. Nicht alles was provoziere, sei aber als förderungwürdige Kunst einzustufen. "An jeder Tankstelle kann man Kontaktmagazine kaufen, welche nach diesen Kriterien als Kunstbände eingestuft werden müssten und dann wohl ebenfalls eine Förderung durch das Bundeskanzleramt erhalten würden", so Hofer.

Muttonen: Plakate sind "Grenzfall"

Verwunderung erntete die SPÖ für ihre Position zu den umstrittenen EU-Plakaten der "25 Peaces". Wo in den Neunzigern die SPÖ sich noch schützend vor angefeindete Künstler stellte, üben nun SPÖ-Politiker Kritik an der "sexistischen" und "geschmacklosen" Darstellung. Doch dass die SPÖ ihre Position zur Kunst aufgebe, sei "überhaupt nicht der Fall", entgegnete SPÖ-Kultursprecherin Christine Muttonen dieser Kritik. Die umstrittenen Plakate seien ein "Grenzfall", sagte sie, und es sei "gut, wenn diese Diskussion jetzt geführt wird".

Muttonen persönlich finde die Motive "nicht so aufregend", jedoch könne sie sich "vorstellen, dass manche Frauen dadurch schon verärgert sind". Diese Aufregung sei "nicht scheinheilig", es sei "wichtig, dass man anspricht, wo eine Frau als Objekt missbraucht wird" und die Menschen "klar ausdrücken, wo sie in ihrem persönlichen Empfinden verletzt" sind. Dass "die Freiheit der Kunst ihre Berechtigung hat und auch in der Verfassung steht", stehe ja "überhaupt nicht zur Diskussion".

Burgstaller: Verantwortliche müssen handeln  

"Die ganze Angelegenheit rund um die Aktion 25 Peaces ist politisch zu lösen. Wenn die Verantwortlichen nicht von sich aus einsehen, dass diese Plakate aus dem Verkehr gezogen werden müssen, dann werden wir weiterhin massiven öffentlichen Druck machen." Dies stellte am Donnerstag Gabi Burgstaller (SPÖ) fest. Plakate sind derzeit zwar nur in Wien zu sehen, sollen aber schon demnächst auch in Salzburg hängen.

Auf Kritik stößt bei Burgstaller vor allem das Plakat des EU-Slips der Berliner Künstlerin Tanja Ostojic: Sie halte dieses Plakat schlichtweg für frauenfeindlich, so die Landeshauptfrau. Sei sei gegen ein Aufhängen dieser Plakatserie und "wir werden weiterhin massiven öffentlichen Druck machen". Sie sei zuversichtlich, dass diese Plakate nicht bei uns in Salzburg hängen werden.

In der Zeit von 24. bis 30.Jänner werden insgesamt 29 Stück Rolling Board Plakate auch in Salzburg affichiert, die viel diskutierten Sujets von Wien werden in Salzburg aber nicht ausgehängt. "Hierfür garantieren wir", teilte der Prokurist der Progress Außenwerbung mit.

"Pubertär" und "geschmacklos" 

 Für die Psychotherapeutin und Sexualwissenschafterin Rotraud Perner sind die umstrittenen EU-Plakate zwar weder pornografisch noch sexistisch. Die Empörung darüber kann sie aber trotzdem nachvollziehen. Die Plakate, die drei Nackte mit Masken von George Bush, Jacques Chirac und Elisabeth II. beim Sex zeigen, seien nämlich "nur als Provokation zu verstehen", sagt Perner. "Ich sehe da keine in irgendeiner Weise geartete Botschaft, mit der man sich ernsthaft auseinander setzen müsste."

Über derartige Motive könne man auf der Uni oder in Museen diskutieren, aber "das gehört nicht auf Plakate", glaubt Perner. Dies sei ein Bereich, "wo sich die Leute entweder hirnlos empören, oder das ganze lächerlich machen". Das Motiv empfindet Perner als "pubertär" und "geschmacklos". Auch der Europa-Idee werde damit nichts gutes getan. Perner: "Das war ein Griff ins Braune." Andere provokative Plakat-Aktionen - etwa jene von Benetton - hätten wenigstens auch eine Botschaft transportiert.

Dass die Aufregung der "Kronen Zeitung" über die Plakate angesichts der täglichen Krone-"Nackerten" scheinheilig wäre, verneint Perner. "Die Nackerten auf der Seite fünf, die stören mich selten", sagt sie. "Geschmacklos und gefährlich" sei es eher, wenn es dazu Bildtexte wie "blutjung und schon so sexy" gebe. Und im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit "sollte halt ab und zu auch ein nackerter Bub drinnen sein". .(APA/Red.)

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