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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
29. Juni 2005
19:34 MESZ
Von
Markus Mittringer

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sammlung-essl.at
Bis 29.1.'06  

Foto: APA/SAMMLUNG ESSL/STEFAN FIEDLER - SALON IRIS/ ARNULF RAINER
Arnulf Rainer's "Gesicht" (1973)

Veteranentreffen
Einschulung in den modernen Umgang mit dem Tafelbild: Arnulf Rainer und Antoni Tàpies in der Sammlung Essl

Mit einer Doppelpersonale von Arnulf Rainer und Antoni Tàpies lädt die Sammlung Essl nach Klosterneuburg zu einer Einschulung in den modernen Umgang mit dem Tafelbild. Beide Heroen sind mit zentralen Werkblöcken an der Aufklärung beteiligt.


Klosterneuburg - Beide verfügen über langjährige Erfahrung. Beide - Antoni Tàpies (geb. 1923) und Arnulf Rainer (geb. 1929) - haben ein Leben damit verbracht, dem Malen trotz allem immer wieder neue Bilder abzuringen. Beide sind immer noch am Suchen und finden auch immer wieder zu einem gültigen Bild.

Bei Arnulf Rainer mag alles aus einer ohnmächtigen Wut heraus so gekommen sein, aus einer Unzufriedenheit mit sich selbst, die ihn zu nihilistischen Praktiken animiert hat: zum heute sprichwörtliche "Übermalen". "Undurchschaubarkeit", heißt das in seinen Worten, "Grenzberührung, Monotonie fordern mich immer wieder heraus." Er suchte und fand die Grenzen im Arbeiten bis hin zur physischen Erschöpfung, in Experimenten mit Drogen, im intensiven Versuch des Austauschs mit der unfassbaren Welt psychisch Kranker.

Auf seiner Expedition in diverse fernen und fremden Welten verlor Rainer einen nie aus den Augen: sich selbst. Die so angestrengte Weiterführung der Malerei nach dem allseits publizierten "Ende der Malerei" ging immer vom Zentralgestirn Rainer aus und hat immer zum Zentralgestirn Rainer zurückgefunden. Ob in Zentralisationen, Vertikalgestaltungen, Übermalungen, Überdeckungen, ob in den Bearbeitungen der Charakterköpfe Messerschmidts, oder jenen des eigenen, im Passbildautomaten am Westbahnhof gefertigten Porträts, Rainer ist dem Sujet Rainer treu geblieben. Und selbst in den zum Teil verheerend kitschigen Bildern zum Themenkreis "Engel" aus den frühen 90er-Jahren kann man immer den Rainer entdecken, der da im Feuerrausch sich erneut selbst entdeckt oder am Fliehen ist, oder sich im Mikrokosmos wiederzufinden sucht.

"Wenn ich Zeichen setze",wird Antoni Tàpies gerne zitiert, "ein X oder ein Kreuz oder eine Spirale, empfinde ich dabei eine gewisse Freude. Ich sehe, dass das Bild mit diesem Zeichen eine bestimmte Kraft bekommt. Und dann erkläre ich mir nicht, warum. Die Buchstaben aber setze ich mit ganz verschiedenen Bedeutungen. A als Anfang, als Begrenzung, T als eine Stilisierung des Gekreuzigten und auch als ein Initial meines Namens, wie ein Zusammentreffen von Koordinaten." Eine Sommerschau der Sammlung Essl führt die beiden Heroen nun wieder einmal zueinander. Quer durch ihre Werkphasen wurde recht anschaulich ausgewählt, was die Geschichte des Malerkampfes der vergangenen 50 Jahre pädagogisch wertvoll zu illustrieren imstande ist.

Wo der eine - Rainer -, wird unmissverständlich nahe gebracht, mit vollem Körpereinsatz seinen Alltag zu überleben suchte, hat der andere - Tàpies - zu ehedem ungewöhnlichen Mitteln gegriffen, um ein Bild zugleich ein Bild und trotzdem etwas Neues sein zu lassen: Sand hat er der Leinwand aufgezwungen und Gips und manchmal alte Unterhemden. Was letztlich nicht mehr und nicht weniger heißt, als dass Tàpies das Bild weniger als Bild, denn als Objekt betrachtet hat, und Rainer eben die Leinwand als im Ende konserviertes Schlachtfeld. Porteur de Secret wurde die Klosterneuburger Doppelpersonale getauft, und wirklich lässt sich unschwer feststellen, dass das Geheimnis des Geheimnisses in seiner konsequent betriebenen Nicht-Preisgabe liegt.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.6.2005)


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