Zwei umfangreiche Publikationen geben zusätzlichen Aufschluss über Max
Weilers Lebenswerk
Prächtige Abbildungen, kritische Analysen und stilistische Fragen
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Max Weiler ist im Jahr 2001 im Alter von 91 Jahren
verstorben. Schon im vergangenen Jahr erschienen zwei wichtige
Publikationen: die umfangreiche Monografie als fast 500 Seiten starker
Prachtband im Springer-Verlag "Der Maler Max Weiler. Das Geistige in der
Natur", für die als Autor der bekannte Kunsthistoriker Gottfried Boehm
zeichnet, und das Ausstellungskatalogbuch "Max Weiler. Die Fresken der
Theresienkirche in Innsbruck 1945-47", anlässlich der Schau im Taxispalais
in Innsbruck im Haymon-Verlag, mit Texten der Autoren Wieland Schmied,
Anselm Wagner und Günther Dankl. In 21 Kapiteln behandelt Gottfried
Boehm nicht nur chronologisch die Stilwandlungen und Wiederaufnahmen bzw.
Paraphrasen früher Themen und Gedanken, sondern auch die verschiedenen
Gattungen und Medien, in denen der Tiroler Künstler und Wiener
Akademieprofessor seinen Weg als Außenseiter in der österreichischen wie
europäischen Kunst gegangen ist. Seine Eigenart ist durch die frühe
Orientierung am Bund Neuland, den Einfluss durch seinen Lehrer Karl
Sterrer wie die Rückkehr in einen Art lokalpatriotischen Stil in Tirol
während der Nazizeit geprägt. Noch mehr aber scheint Weiler die besondere
Beziehung zur Natur, seine Begeisterung für die chinesischen Maler der
Sung-Epoche, sein Blick zurück auf die Naturmystik eines Grünewald oder
Altdorfer, aber auch die spätere romantische Auffassung Caspar David
Friedrichs beeinflusst zu haben. Die prächtigen Abbildungen, zum Teil
auch als Leporello für die charakteristischen Breitformate gestaltet, sind
sinnvoll hinter die jeweiligen Kapitel gebunden und erleichtern den Lesern
den Umgang mit dem schweren Band, der auch zur versammelten Literatur und
Bezügen zum Kunsthistoriker Alosi Riegl oder dem Philosophen Bluemenberg
nur wenige kritische Bemerkungen erfordert. Allein sein Umfang führt zu
zwangsläufigen Wiederholungen im Text in Sachen öffentliche Aufträge, aber
auch in der Stilbeschreibung von "macchia" und Mauerhaftigkeit
(Leonardomatapher) der Bilder der abstrahierten Phase nach den Chiffren
der Natur . Die interessanten Jugendphasen - vor allem die Wandlungen
im und zum "Bund Neuland" und die immer wiederkehrenden Reminiszenzen an
diese jugendbewegte Zeit, die Rückkehr zum Realismus im Gruppenporträt und
Familienbild während der "Krisenzeit" 1937-45, münden in der nach dem
verhassten Militärdienst in Italien eintretenden Aufbruchsphase mit
Landschaften, die sich vor allem an der internationalen Moderne
orientierten und ihrem Abschluss mit der Paris-Reise 1949. Hier fehlt
es vielleicht an analytischer Genauigkeit und Deutlichkeit zu den
herangezogenen Stilmitteln, die dann Anselm Wagner klarer im Katalogbuch
nachreicht.
"Damnatio memoriae"
Vor allem verwundert
es doch sehr, dass der Hochzeit mit Gertraud Frenner nicht die für einen
Maler lebensverändernde Gründung einer Familie ab dem Jahr 1941 folgt bzw.
die Lebensdaten im Anhang die beiden Töchter Herrad Anna und Almut
verschweigen. Nur die 1950 geborene und 1957 verunglückte Tochter Gertraud
taucht ab den späten achtziger Jahren in den Publikationen auf. Egal
welche Ereignisse zu dieser "Damnatio memoriae" der beiden erfolgreichen
Hochschulabsolventinnen nach dem Tode der Mutter 1985 geführt haben mögen,
sie sind eines Künstlers wie Weiler unwürdig und die Vornamen der Töchter
verweisen zudem auf die geistige Entwicklung des Malers Weiler in dieser
Zeit: Das Mittelalter und die Mystik eines Meister Eckhart etwa, der ganze
Zyklen am Beginn der sechziger Jahre mit seinen aktualisierten
katholischen Reformideen bestimmte. Auch die Gestaltung der
Hungerburgfresken und ihr Skandal werden von diesen Entwicklungslinien
mitbestimmt. Wieland Schmied, der Weiler über Jahrzehnte als Autor
begleitete, konzentriert sich im Katalogbuch der Galerie im Taxispalais
auf die weiterführenden Details der Fresken in der Theresienkirche auf der
Hungerburg, die weniger Angriffspunkte, aber viel an Beziehung zur
gesamten europäischen Mystik aufweisen: Das Abendmahl mit Christus und
Johannes und dem darüberliegenden Ölberg. Erlösungsgedanken, die in den
chiffrenartigen Naturausschnitten "Kelch und Blumen" wiederkehren. Der
fundierteste Text stammt ohne Zweifel von Anselm Wagner, der sich auch
endlich traut, die möglichen Anpassungen an die Nazizeit offen zu
diskutieren und den naturalistischen Stil der Bauernfamilie und des
nationalistischen Tirolertums von unbekannten Jungschützen- und
Gebirgsjägerbildern zu trennen. Er betont auch klar, dass Weiler sich nie
der Kriegsbegeisterung und dem Führerkult zur Verfügung gestellt hat; die
Begeisterung für Defregger befremdete aber manche Neuland-Kollegen.
Theologische Untersuchung
Außerdem ist Wagners
theologische Untersuchung aller für die Hungerburgfresken wesentlichen
alten und neuen mystischen Schriften zur Herz-Jesu-Verehrung wirklich
eindrucksvoll. Sedlmayr ist mit seinem "Verlust der Mitte" auch schon bei
Gottfried Boehm und danach Günther Dankl eine für die Kritik an der
Moderne ebenso wesentliche Figur wie der spätere Reformtheologe Hugo
Rahner, der die deutschnationale Bedrohung für das Tiroler
Nationalbewusstsein mit jener mystischen Herzverehrung sozusagen als
Symbol der Widerstandsgeschichte Tirols zu verbinden verstand.
Interessant auch die Ortung verbliebener Ideale der Neulandzeit
Weilers, kombiniert mit dem "Bodenständigen", das in die Zeit der
Familiengründung passt, und der Verweis auf des Künstlers richtige
Bezeichnung der Fresken als gemaltes "Passionsspiel", das eben die Laien
integriert. Jenes Einbauen der Tiroler Stände hatte Weiler ja vor Gericht
gebracht und 1950 sah er sich gezwungen, seine Fresken wegen
Nichtakzeptanz durch den Vatikan für acht Jahre zu verhüllen. Das blaue
Pferd, die Planetengötter und die Tiroler Schützen, die Christus den
Lanzenstich verabreichen und als schuldiges Volk auftreten, sind heute
längst kein Skandalon mehr; die historischen Fakten dazu fasst Günther
Dankl samt den Karikaturen abschließend unter dem historischen Titel
"Golgatha in Tirol" zusammen. Beide Publikationen tragen zu einer
Erweiterung der Kenntnis der Malerei Weilers in besonderem Umfang und mit
der nötigen kritischen Analyse bei, allein die Lebensdaten könnten sich im
Sinne eines besonderen Beiträgers zur österreichischen Kunst an Katalogen
vor 1986 orientieren. Auch sehe ich persönlich Weiler nicht als einsamen
Wanderer im Sinne des romantischen Ideals nach Nietzsches männlicher
Genievorstellung. Die dankenswerten Hinweise Boehms auf die starke Prägung
durch die "Mutterwelten" in einer so hochstehenden Begeisterung für die
Natur und die Strömungen der Mystik sprechen ohnehin vom Gegenteil und
erscheinen zudem als Auffassung vom Künstler an sich aktueller.
Erschienen am: 01.08.2002 |
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